Zwei aktu­el­le Urtei­le des LG Ham­burg zur Ver­ant­wort­lich­keit für Wiki­pe­dia-Ein­trä­ge (Urteil v. 26.03.2010, Az. 325 O 321/08 und Urteil v. 02.07.2009, Az. 325 O 321/08) haben in den ver­gan­ge­nen Wochen erneut ein Schlag­licht auf die grund­sätz­li­che Fra­ge der Haf­tung für rechts­wid­ri­ge Äuße­run­gen Drit­ter gewor­fen, die über das bekann­te Mei­nungs­fo­rum, die sog. „Online-Enzy­klo­pä­die“ Wiki­pe­dia, ver­brei­tet wer­den. In der Pra­xis dürf­te die­se Recht­spre­chung bei heu­ti­ger Rechts­la­ge auch in Deutsch­land zu einer „Wiki-Immu­ni­ty“ füh­ren und einen vir­tu­el­len Raum schaf­fen, in dem selbst inner­deut­sche Kon­flik­te nicht mehr wirk­sam mit gericht­li­cher Hil­fe bei­gelegt wer­den kön­nen. Das weißt auf das dahin­ter lie­gen­de, grund­sätz­li­che Pro­blem hin, dass im Inter­net zuneh­mend selbst rein inner­staat­li­che Tat­be­stän­de ohne Bezug­nah­me auf aus­län­di­sche Rechts­ord­nun­gen nicht gelöst wer­den kön­nen. Die Durch­setz­bar­keit natio­na­len Rechts – und damit eines der wesent­li­chen Rechts­staats­prin­zi­pi­en – wird inso­weit grund­sätz­lich zur Dis­po­si­ti­on gestellt. Selbst in sol­chen Fäl­len, in denen die nor­ma­ti­ven Wer­tun­gen in den USA und der Bund­e­re­pu­blik grund­sätz­lich übereinstimmen.

Mit guter Begrün­dung hat das LG Ham­burg in dem Ver­fah­ren (325 O 321/08) ent­schie­den, dass der in Deutsch­land ansäs­si­ge Ver­ein Wiki­me­dia Deutsch­land-Gesell­schaft zur För­de­rung Frei­en Wis­sens e. V. (Wiki­me­dia) nicht für rechts­wid­ri­ge Äuße­run­gen, die ledig­lich in der Ver­si­ons­his­to­rie der Wiki­pe­dia abruf­bar sind, haf­tet. Die­se Ent­schei­dung beruht dar­auf, dass Wiki­pe­dia von der Wiki­me­dia Foun­da­ti­on, Inc., (Wiki­me­dia Foun­da­ti­on) einer US-ame­ri­ka­ni­schen Non-Pro­fit-Orga­ni­sa­ti­on mit Sitz in San Fran­cis­co, Kali­for­ni­en, betrie­ben wird. Wiki­me­dia ist dem­ge­gen­über ledig­lich ein Ver­ein, der die­se Orga­ni­sa­ti­on von Deutsch­land aus ideell und finan­zi­ell unter­stützt. Nach Ansicht des Gerichts lie­gen kei­ne Anhalts­punk­te vor, die die Wiki­me­dia als Mit­be­trei­be­rin der deut­schen Platt­form erschei­nen las­sen. Dass Wiki­me­dia Deutsch­land nicht Ver­ant­wort­li­cher für bei Wiki­pe­dia ver­öf­fent­lich­te rechts­wid­ri­ge Behaup­tun­gen sei, hat­te zuvor bereits auch das LG Köln ent­schie­den (LG Köln, Urteil v. 14.05.2008, Az. 28 O 334/07). Im wei­te­ren Ver­fah­ren hat das Land­ge­richt Ham­burg fol­ge­rich­tig die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on unmit­tel­bar dazu ver­ur­teilt, die Ver­brei­tung bestimm­ter per­sön­lich­keits­recht­ver­let­zen­der Äuße­run­gen in Deutsch­land zu unterlassen.

Der Anspruch auf Unter­las­sen der bezeich­ne­ten Äuße­run­gen bzw. Bericht­erstat­tungs­ge­gen­stän­de ergab sich nach Auf­fas­sung des Gerichts dabei ohne wei­te­res aus § 1004 des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs ana­log, § 823 des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs in Ver­bin­dung mit dem all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­recht aus Art. 2 I sowie Art. 1 I GG.

Wie schon an ande­rer Stel­le kom­men­tiert (sh.: http://www.telemedicus.info/article/1718-LG-Hamburg-zur-Haftung-der-Wikimedia-Foundation.html), sorgt der Rich­ter­spruch dabei weni­ger in mate­ri­el­ler Hin­sicht für recht­li­che Pro­ble­me, als viel­mehr hin­sicht­lich der Fra­ge sei­ner effek­ti­ven Durch­setz­bar­keit:

In mate­ri­el­ler Hin­sicht hat das Gericht näm­lich ledig­lich das inzwi­schen in Deutsch­land gefes­tig­te Prin­zip der (begrenz­ten) Ver­brei­ter­haf­tung für frem­de Äuße­run­gen in Mei­nungs­fo­ren bestä­tigt. Danach haf­tet der Anbie­ter für Äuße­run­gen Drit­ter nur, wenn er sie nach Kennt­nis nicht gelöscht und sich damit „zu Eigen gemacht“ hat. Das Pro­blem, inwie­weit ein Titel gegen die US-ame­ri­ka­ni­sche Wiki­me­dia Foun­da­ti­on Inc. jedoch über­haupt voll­streckt, d.h. zwangs­wei­se durch­ge­setzt wer­den kann, wur­de von den Rich­tern natur­ge­mäß nicht ange­spro­chen. Was also pas­siert, wenn sich die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on, genau­so wie zuvor die „Wiki­pe­dia­ner“, die Nut­zer und Admi­nis­tra­to­ren der Mei­nungs­platt­form, dem deut­schen Rich­ter­spruch nicht beu­gen will, die bean­stan­de­te Äuße­rung nicht löscht und daher eine „Bestra­fung“ ent­spre­chend des übli­chen Urteils­te­nors aus §890 ZPO in Form eines Ord­nungs­gel­des gegen den Ver­pflich­te­ten fest­ge­setzt wird und voll­streckt wer­den soll? 

Die for­mal nöti­ge Zustel­lung des Urteils des deut­schen Gerich­tes in die USA dürf­te im Fal­le der Wiki­me­dia Foun­da­ti­on kein beson­de­res Pro­blem dar­stel­len. Deut­sche Voll­ste­ckungs­or­ga­ne sind aber für eine Voll­stre­ckung von Urtei­len nur zustän­dig, wenn die Voll­stre­ckung in Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de erfol­gen kann, dass sich im Inland befin­det. Dar­über hin­aus kann kei­ne Staats­ge­walt aus­ge­übt wer­den. Da die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on in Deutsch­land aber kei­nen Ser­ver und auch sonst kein Ver­mö­gen besit­zen dürf­te, wird hier anzu­neh­men sein, dass eine Voll­stre­ckung regel­mä­ßig ins Lee­re läuft. Dann aber stellt sich zwangs­läu­fig die Fra­ge, inwie­weit das Urteil in den USA voll­s­treck- und durch­setz­bar ist.

In den USA rich­tet sich die Aner­ken­nung deut­scher Gerichts­ur­tei­le nach dem Recht der Ein­zel­staa­ten. Grund­sätz­lich besteht zwar die Ten­denz, Urtei­le aus Deutsch­land anzu­er­ken­nen, das aus­län­di­sche Urteil muss aber mit der Ver­fas­sung ver­ein­bar sein – und zwar nach der Ver­fas­sung des Bun­des und des jewei­li­gen Ein­zel­staa­tes. Im Bun­destaat Kali­for­ni­en feh­len inner­halb der Umset­zung des grund­sätz­lich maß­geb­li­chen „Uni­form Act“ jedoch Vor­schrif­ten hin­sicht­lich der Regis­trie­rung oder Ein­rei­chung von aus­län­di­schen Urtei­len, so dass davon aus­ge­gan­gen wer­den muss, dass hier eine neu­er­li­che Kla­ge zur Voll­streck­bar­er­klä­rung vor einem ört­li­chen US-Gericht erfor­der­lich sein wird.  Mit ande­ren Wor­ten – der bereits in Deutsch­land ent­schie­de­ne Fall ist im Zwei­fel vor einem kali­for­ni­schen Gericht noch ein­mal neu zu ver­han­deln. Dann aber nach den Nor­men und Pro­zess­re­geln (und Kos­ten) des US-ame­ri­ka­ni­schen und des kali­for­ni­schen Rechts.

Selbst­ver­ständ­lich kei­ne ganz neue Situa­ti­on: Bereits vor fast 10 Jah­ren hat ein fran­zö­si­sches Gericht das ame­ri­ka­ni­sche Unter­neh­men Yahoo! dazu ver­ur­teilt, alle erdenk­li­chen Maß­nah­men auf­zu­wen­den, um zu ver­hin­dern, dass bestimm­te Inhal­te, die in Frank­reich als rechts­wid­rig ein­ge­stuft wur­den, in Frank­reich zugäng­lich gemacht wer­den (LICRA vs. Yahoo!). Nach­fol­gend hat jedoch ein US-Gericht ent­schie­den, dass die­ses Urteil in den USA nicht durch­ge­setzt wer­den kann, da die betref­fen­den Äuße­run­gen – anders als in Frank­reich – in den USA von der Mei­nungs­frei­heit gedeckt seien.

Der Yahoo! Fall zeig­te als einer der Ers­ten, wie schwie­rig es ist, natio­na­le Urtei­le glo­bal durch­zu­set­zen. Gleich­zei­tig aber macht er deut­lich, wel­che Pro­ble­me sich für Con­tent Pro­vi­der bie­ten, die ihre Inhal­te über ver­schie­de­ne recht­li­che Zustän­dig­keits­be­rei­che hin­weg anbie­ten wol­len und die Ver­brei­tung in einem grenz­über­schrei­ten­den Medi­um ggfs. auch gar nicht anders als grenz­über­schrei­tend gestal­ten kön­nen. Über ver­schie­de­ne Län­der hin­weg vari­ie­ren nicht nur die anwend­ba­ren Geset­ze, viel­mehr unter­schei­det sich das grund­le­gen­de Ver­ständ­nis der Reich­wei­te der Mei­nungs­frei­heit. Wäh­rend die Mei­nungs­frei­heit in Deutsch­land von ihrem Schutz­be­reich her bereits von vorn­her­ein nur in gewis­sen Schran­ken garan­tiert wird, inner­halb die­ser jedoch unein­ge­schränkt garan­tiert ist, kon­sti­tu­iert der ers­te Zusatz­ar­ti­kel zur ame­ri­ka­ni­schen Ver­fas­sung „Free­dom of Speech“, die Mei­nungs­frei­heit (ursprüng­lich aber eben nur in der Form der Pres­se­frei­heit), als Grund­stein der Demo­kra­tie, wel­cher durch kein Gesetz beschränkt wer­den darf – um dann jedoch im Nach­hin­ein doch wie­der eine Rei­he gesetz­li­che Beschrän­kun­gen gegen­über rechts­wid­ri­gen Äuße­run­gen ein­zu­füh­ren, da wie auch in Deutsch­land die Ver­fas­sung vor­ran­gig das Ver­hält­nis zwi­schen Bür­ger und Staat regelt und nicht das Ver­hält­nis der Bür­ger untereinander.

Im Ergeb­nis folgt daher kein zwangs­läu­fi­ger Unter­schied: Sowohl in Deutsch­land, wie auch in den USA, sind ins­be­son­de­re ver­leum­de­ri­sche Falsch­be­haup­tun­gen oder Belei­di­gun­gen rechts­wid­rig und nicht von der Mei­nungs­frei­heit geschützt. Mag auch im Ein­zel­fall eine Äuße­rung in dem einen Land noch als zuläs­sig, in dem Ande­ren aber schon als unzu­läs­sig ange­se­hen wer­den, drängt sich damit eine gene­rel­le Dif­fe­renz zwi­schen den USA und Deutsch­land also nicht zwin­gend auf, da auch inner­staat­lich unter­schied­li­che Gerich­te im Ein­zel­fall auch unter­schied­lich (eng) ent­schei­den mögen.

Eine grund­le­gen­de Dif­fe­renz ergibt sich jedoch aus den unter­schied­li­chen Ant­wor­ten auf die Fra­ge, wer für rechts­wid­ri­ge Äuße­run­gen ver­ant­wort­lich gemacht wer­den kann. 

Wikimedia ohne Verantwortung?

Ange­nom­men: In der deutsch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia wird in einem Ein­trag zu einem Film zu dem Namen eines deutsch-ame­ri­ka­ni­schen Schau­spie­lers (wahr­heits­wid­rig) von einem Nut­zer mit der IP-Adres­se eines deut­schen Pro­vi­ders geschrie­ben, die­ser Schau­spie­ler sei „ver­mut­lich HIV-posi­tiv“ und zudem ver­däch­tig, durch sei­nen pro­mis­kui­ti­ven Lebens­wan­del bereits meh­re­re Per­so­nen infi­ziert zu haben. Als Quel­le wird dabei auf einen (unzu­tref­fen­den) aus­län­di­schen Zei­tungs­ar­ti­kel Bezug genom­men. Was könn­te der Betrof­fe­ne recht­lich dage­gen tun?

Zunächst ein­mal sicher­lich, sich an Wiki­pe­dia selbst wen­den. Wer sich durch einen Ein­trag unter Wiki­pe­dia ver­letzt oder falsch dar­ge­stellt fühlt, kann zunächst stets die Mög­lich­keit nut­zen, Ein­trä­ge zur „Löschung“ vor­zu­schla­gen. Über die­se Vor­schlä­ge wird in einem Forum über einen Zeit­raum von 7 Tagen dis­ku­tiert. Dar­über hin­aus führt Wiki­pe­dia eine „Schnell­lö­schung“ ohne vor­he­ri­ge Dis­kus­si­on durch, wenn bestimm­te Kri­te­ri­en erfüllt sind. Hier­zu zählt der Umstand, dass ein Ein­trag offen­sicht­lich rechts­wid­rig ist, weil er zum Bei­spiel Belei­di­gun­gen ent­hält. Über die „Schnell­lö­schung“ ent­schei­det ein Admi­nis­tra­tor. Gegen eine Löschung kann wie­der­um ein Antrag auf „Lösch­über­prü­fung“ gestellt wer­den.  Neben einer Löschung kann über einen Admi­nis­tra­tor auch die Sper­rung eines Ein­trags für Ände­run­gen bean­tragt wer­den. Mit einer Sper­re wer­den Ein­trä­ge belegt, in denen wie­der­holt Tei­le gelöscht wer­den muss­ten oder Ein­trä­ge, die bestimm­te Reiz­wör­ter ent­hal­ten. Der Geschä­dig­te selbst kann den frag­li­chen Ein­trag nicht löschen. Par­al­lel dazu kann der Betrof­fe­ne sich auch an die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on wen­den und dort unter Anga­be der kon­kre­ten Fund­stel­le um Hil­fe ersu­chen. Was ihm auch nach deut­schem Recht auch in jedem Fall zu raten wäre, bevor er den Rechts­weg beschreitet.

Unab­hän­gig von der Fra­ge, ob eine Frist von 7 Tagen in der heu­ti­gen Medi­en­ge­sell­schaft noch eine zumut­ba­re Zeit­span­ne dar­stellt, erweist sich die­se, von Wiki­pe­dia selbst eröff­ne­te „Ver­hand­lungs­lö­sung“ in der Pra­xis jeden­falls in den meis­ten Fäl­len bereits als hin­rei­chen­de Kor­rek­tur­mög­lich­keit für den Betroffenen.

Was aber, wenn wir im unter­stell­ten Fall anneh­men, dass sich – wie es bei­spiels­wei­se schon in dem in den USA sehr bekannt gewor­de­nen „Sei­gen­tha­ler inci­dent“ (http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_biography_controversy) gesche­hen ist – die Wiki­pe­dia-Com­mu­ni­ty wei­gert, den Ein­trag zu kor­ri­gie­ren bzw. zu löschen, eben weil sie den behaup­te­ten Fakt für wahr hält, oder sich kein Admi­nis­tra­tor für eine Schnell­lö­schung fin­det. Oder eben die Dis­kus­si­on dar­über sich über Mona­te und damit für den Betrof­fe­nen uner­träg­lich lan­ge hin­zieht? Oder aber eben die Ansicht, was zutref­fend ist oder nicht, von den „Wiki­pe­dia­nern“ anders beur­teilt wird, als vom Betrof­fe­nen? Der Erfah­rung nach dürf­te sich der Betrof­fe­ne bei ent­spre­chen­dem Lei­dens­druck dann regel­mä­ßig dafür ent­schei­den, ange­sichts der belas­ten­den Schwe­re der Vor­wür­fe, rasche gericht­li­che Hil­fe gegen den Ein­trag auf Wiki­pe­dia in Anspruch neh­men zu wollen.

Vom Autor des schäd­li­chen Ein­trags ist ihm dabei meist nur die IP-Adres­se bekannt, da nur die­se bei dem Ein­trag sicht­bar gespei­chert ist. Bei Ein­trags­än­de­run­gen spei­chert Wiki­pe­dia ent­we­der den Benut­zer­na­men eines regis­trier­ten Autors oder, was bei dif­fa­mie­ren­den Ein­trä­gen in der Regel der Fall sein dürf­te, ledig­lich die IP-Adres­se des Nut­zers. Nicht die Wiki­me­dia, ledig­lich der Access­pro­vi­der ist dann regel­mä­ßig in der Lage, von die­ser Num­mer auf den Anschluss­in­ha­ber zu schlie­ßen. Dies wie­der­um kann – muss aber nicht – Hin­wei­se auf den Autor ver­mit­teln.  

Der nahe­lie­gen­de Gedan­ke, auf die­sem Weg den Autor zu ermit­teln, um anschlie­ßend gegen ihn direkt vor­zu­ge­hen, schei­tert jedoch: Das liegt dar­an, dass der Betrof­fe­ne nach deut­schem Recht gegen den Pro­vi­der kei­nen Aus­kunfts­an­spruch auf Nen­nung des Inha­bers der IP-Adres­se hat. Anders dage­gen z.B. nach § 101 Abs. 2 UrhG, sofern er sich gegen eine Urhe­ber­rechts­ver­let­zung wen­den wür­de. Dies ist hier ange­sichts der in dem Bei­spiels­fall ange­nom­me­nen Per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zung aber nicht der Fall. Ohne einen sol­chen Anspruch stün­de dem ledig­lich zivil­recht­lich begrün­de­ten Aus­kunfts­an­spruch die gesetz­li­che Ver­pflich­tung der Access-Pro­vi­der gegen­über, den Daten­schutz und damit die Iden­ti­tät des Anschluss­in­ha­bers zu wah­ren. Anders nur im Fal­le staats­an­walt­schaft­li­cher Ermitt­lun­gen wegen Belei­di­gung oder Ver­leum­dung. Hier kann die Ermitt­lungs­be­hör­de Aus­kunft über die Iden­ti­tät der IP-Adres­se erlan­gen. Regel­mä­ßig ver­neint die Staats­an­walt­schaft jedoch in die­sen Ver­fah­ren das öffent­li­che Inter­es­se und ver­weist statt­des­sen auf den Zivil- und Privatklageweg.

Es ver­bleibt ihm in die­sem Fal­le, wie auch in dem, der vom LG Ham­burg ent­schie­den wur­de, also nur eine Alter­na­ti­ve, soweit die Wiki­me­dia auch nach Benach­rich­ti­gung den betref­fen­den Ein­trag nicht gelöscht hat, ein Antrag auf Erlass einer einst­wei­li­gen Ver­fü­gung gegen die Wiki­pe­dia Foun­da­ti­on als ver­ant­wort­li­chen Betrei­ber der Sei­ten zu stellen. 

Neh­men wir wei­ter an, der Geschä­dig­te hat mit sei­nem Antrag gegen die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on Erfolg, da die behaup­te­te Tat­sa­che eben nicht wahr ist: Jedes deut­sches Gericht wür­de mit dem LG Ham­burg urtei­len, dass die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on ver­pflich­tet ist, die­sen Ein­trag min­des­tens zu löschen, viel­leicht auch dar­über hin­aus für die Zukunft zu unter­las­sen. Dies liegt dar­an, dass es sich schlicht­weg um eine rechts­wid­ri­ge, per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zen­de Tat­sa­chen­be­haup­tung han­delt und der Betrei­ber eines Mei­nungs­fo­rums nach §10 TMG nach Kennt­nis zur unver­züg­li­chen Löschung ver­pflich­tet ist, ansons­ten eben selbst in Anspruch genom­men wer­den kann. Im Ergeb­nis wird die­ses Urteil dem Geschä­dig­ten jedoch nur dann einen effek­ti­ven Rechts­schutz bie­ten, wenn es wie oben erwähnt, auch in den USA gilt und dort auch ohne wei­te­res voll­streckt wird.

Problem: Auslegung des Federal Communication Decency Act

Eine Voll­stre­ckung des Urteils in den USA wür­de jedoch selbst dann schei­tern, wenn das in Kali­for­ni­en anzu­ru­fen­de Gericht – in Über­ein­stim­mung mit dem deut­schen Recht – die getä­tig­ten Äuße­run­gen als Ver­leum­dung ein­stuft. Denn Wiki­pe­dia genießt als Mei­nungs­por­tal, so wie ande­re, die frem­de Inhal­te ledig­lich auf ihrer Platt­form bereit­stel­len, „Immu­ni­tät“ gegen­über Ansprü­chen, die auf frem­den rechts­wid­ri­gen Inhal­ten beru­hen. Das mit Sec­tion 230 des Fede­ral Com­mu­ni­ca­ti­on Decen­cy Act (CDA; 47 U.S.C. Sec. 230©(I)(2000)) ein­ge­führ­te „Pro­vi­der­pri­vi­leg“ bestimmt nach heu­ti­ger Les­art ame­ri­ka­ni­scher Gerich­te, dass kein Pro­vi­der oder Benut­zer eines inter­ak­ti­ven Com­pu­ter­an­ge­bots als Autor (Publisher) von Infor­ma­tio­nen behan­delt wer­den darf, wenn die­se von einem ande­ren „Infor­ma­ti­ons­an­bie­ter“ stam­men. Der Inter­me­di­är wird – anders als z.B. ein Blog­ger mit eige­nen Bei­trä­gen – im Unter­schied zum deut­schen §10 TMG völ­lig von Haf­tung für frem­de Inhal­te freigestellt.

Bereits im Jahr 1997 wur­de AOL (Zer­an v. AOL) ver­klagt, weil sich das Unter­neh­men wei­ger­te, dif­fa­mie­ren­de Ein­trä­ge aus einem Forum zu löschen, auch nach­dem es über deren Rechts­wid­rig­keit infor­miert wor­den war. Das Pro­blem bestand dar­in, dass AOL zwar bereits Ein­trä­ge gelöscht hat­te, dass aber immer wie­der neue Ein­trä­ge mit glei­chem Inhalt auf­tauch­ten, ohne dass AOL die­se Ein­trä­ge ver­hin­der­te. Das Gericht urteil­te, dass AOL kei­ne auf­er­legt wer­den kön­ne, sämt­li­che Bei­trä­ge zu löschen, da das Unter­neh­men andern­falls wie ein „Publisher“ behan­delt wür­de. Dies jedoch soll­te Sec. 230 CDA ver­hin­dern solle.

In die­ser Hin­sicht wur­de auch in dem Fall Bau­er v. Wiki­me­dia et al ent­schie­den, in dem eine Lite­ra­tur­agen­tin die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on ver­klag­te, weil sie in einem Bei­trag als „dümms­te der 20 schlech­tes­ten Agen­tin­nen“ bezeich­net wurde.

Strit­tig war zunächst, ob die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on eine Pflicht trifft, Arti­kel zu ent­fer­nen, wenn das Unter­neh­men über die ein­deu­ti­ge Rechts­wid­rig­keit eines Ein­tra­ges infor­miert wur­de. Dar­in wur­de von man­chen nur die Pflicht eines „Dis­tri­bu­tor“ gese­hen (ana­log zur deut­schen Ver­brei­ter­haf­tung), so dass Wiki­me­dia nicht wie ein „Publisher“ behan­delt wür­de. Im Fall Zer­an v AOL wur­de jedoch vom Gericht geur­teilt, dass die Pflich­ten eines „Dis­tri­bu­tors“ nur eine Unter­ka­te­go­rie der Pflich­ten eines Publishers dar­stel­len sol­len, so dass § 230 CDA auch für die­sen Fall „Immu­ni­tät“ gewährt. Die­se Aus­le­gung wur­de 2006 durch den Cali­for­nia Supre­me Court in Bar­rett v Rosen­thal bestä­tigt. („Until Con­gress choo­ses to revi­se the sett­led law in this area, howe­ver, plain­ti­ffs who con­t­end they were defa­med in an Inter­net pos­ting may only seek reco­very from the ori­gi­nal source of the statement.”)

Durch die Anwen­dung des Pro­vi­der­pri­vi­legs steht es der Wiki­me­dia Foun­da­ti­on somit recht­lich frei, ob rechts­wid­ri­ge Bei­trä­ge in der Wiki­pe­dia gelöscht wer­den oder nicht. Dem Geschä­dig­ten steht, wie der Cali­for­nia Supre­me Court bestä­tigt, dage­gen nur die zumin­dest theo­re­ti­sche Mög­lich­keit offen, sich gegen den eigent­li­chen Autor eines Ein­trags mit recht­li­chen Mit­teln gegen die Per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zung zu wehren.

In kon­se­quen­ter Wei­se bil­ligt das US-Recht dafür dann aber dem Betrof­fe­nen einen gericht­li­chen Aus­kunfts­an­spruch (sog. „Doe Sub­poe­na“) gegen die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on oder auch den Access-Pro­vi­der, von dem die IP-Adres­se an den Nut­zer ver­ge­ben wur­de, zu. In dem hier ange­nom­me­nen Fall könn­te der Betrof­fe­ne daher die Her­aus­ga­be von Infor­ma­tio­nen zu der IP-Adres­se des Autors ver­lan­gen, da es sich im vor­lie­gen­den Fall um eine auch in Kali­for­ni­en rechts­wid­ri­ge Äuße­rung handelt.

Aber: Da es sich zumin­dest in unse­rem Fall­bei­spiel um eine IP-Adres­se eines deut­schen Access-Pro­vi­ders han­delt, wür­de wie­der­rum ein Aus­kunfts­ur­teil eines US-Gerichts ins Lee­re gehen, da die ent­spre­chen­de Anord­nung eines US-Gerichts wie­der­um in Deutsch­land man­gels Rechts­grund­la­ge bzw. wegen des Ver­sto­ßes gegen die Bestim­mun­gen zum Daten­schutz nicht voll­streck­bar und auch vom Inter­net­pro­vi­der nicht beant­wor­tet wer­den dürf­te. Damit aber ver­blie­be der Autor wei­ter­hin hin­ter der Anony­mi­tät einer IP-Adres­se ver­bor­gen und stün­de als Antrags­geg­ner für eine unmit­tel­ba­re Kla­ge – egal nach wel­chem Recht oder vor wel­chem Gericht – nicht zur Verfügung.

Fak­tisch genießt eine nicht von den „Wiki­pe­dia­nern“ selbst gelöschte/korrigierte Ver­leum­dung in einem Ein­trag im deutsch­spra­chi­gen Teil der Wiki­pe­dia, obwohl sie von einem Deut­schen gegen einen Deut­schen gerich­tet ist, damit die „Wiki-Immu­ni­ty“ – obwohl die­ses der recht­li­chen Wer­tung sowohl des US-ame­ri­ka­ni­schen, als auch des deut­schen Rechts, eigent­lich widerspricht. 

Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzipien

Sofern rechts­wid­ri­ge Ein­trä­ge nicht bereits durch Wiki­pe­dia selbst und frei­wil­lig gelöscht wer­den, haben betrof­fe­ne Unter­neh­men und Per­so­nen in Fol­ge der heu­te bestehen­den Geset­zes­kol­li­si­on in sol­chen Kon­stel­la­tio­nen kei­ne Chan­ce auf effek­ti­ven, gericht­li­chen Rechts­schutz – wobei es völ­lig egal wäre, ob sie zunächst in Deutsch­land oder direkt in den USA um gericht­li­che Hil­fe ersu­chen. Die aktu­el­len Urtei­le des LG Ham­burg gegen die Wiki­pe­dia Foun­da­ti­on haben inso­fern nur dekla­to­ri­sche Wir­kung und kön­nen ggfs. gegen Drit­te ins Feld geführt wer­den, die dort ten­o­rier­ten Ansprü­che jedoch sind nicht in Kali­for­ni­en voll­streck­bar, da der Inter­me­di­är dort (anders als in Deutsch­land) für die Ver­brei­tung frem­der Inhal­te nicht ver­ant­wort­lich gemacht wer­den kann. Aus­kunfts­an­sprü­che bezüg­lich der IP-Adres­se zur Ermitt­lung des Autors, die vor einem kali­for­ni­schen Gericht dage­gen zu errei­chen wären, lau­fen jedoch eben­falls ins Lee­re, da es in Deutsch­land näm­lich den dafür nöti­gen zivil­recht­li­chen Anspruch auf Aus­kunft gegen­über dem Pro­vi­der nicht gibt. Selbst wenn in bei­den Län­dern, wie in dem Bei­spiel, der gewähl­te Ein­trag im Ergeb­nis über­ein­stim­mend als recht­lich unzu­läs­sig bewer­tet wer­den dürf­te, bleibt dem Betrof­fe­nen damit aber effek­ti­ver gericht­li­cher Recht­schutz verwehrt.

Wenn die Durch­set­zung des inner­staat­li­chen Rech­tes jedoch – wie in dem geschil­der­ten Bei­spiel – selbst bei einem eigent­lich rein inner­staat­li­chen Tat­be­stand nicht nur im Ein­zel­fall, son­dern ganz gene­rell dar­an schei­tert, dass der Ver­brei­ter im Staat sei­nes Sit­zes nicht in Anspruch genom­men wer­den kann, weil dort Inter­me­diä­re voll­stän­dig aus der Ver­ant­wort­lich­keit ent­las­sen sind, ent­fällt die Durch­setz­bar­keit der ent­ge­gen­ge­setz­ten natio­na­len recht­li­cher Nor­men vollständig.

Rechts­staat­li­ches Recht jedoch ver­langt nicht nur Herr­schaft im Recht und Herr­schaft des Rechts über die Macht, son­dern damit ver­bun­den, nicht nur Sicher­heit der Rechts­er­kennt­nis, son­dern auch der Rechts­durch­set­zung. Soweit man nicht in den USA die voll­stän­di­ge Pri­vi­le­gie­rung des Pro­vi­ders für die Ver­brei­tung frem­der Inhal­te zuguns­ten des in Euro­pa übli­chen dif­fe­ren­zier­ten Sys­tems par­la­men­ta­risch abän­dert oder aber in Deutsch­land auch in Fäl­len von Per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zung einen zivil­recht­li­chen Aus­kunfts­an­spruch gegen­über Drit­ten ein­führt, wider­spricht der jet­zi­ge Zustand fun­da­men­ta­len Prin­zi­pi­en unse­res Rechts­staats, da die gericht­li­che Hil­fe damit ja ganz grund­sätz­lich für das Opfer nicht erreich­bar ist – obwohl es sich eigent­lich um ein inner­deut­sches Tat­ge­sche­hen han­delt, das grund­sätz­lich auch inner­staat­lich lös­bar wäre. In der Dis­kus­si­on über die Ent­schei­dun­gen des Land­ge­richts Ham­burg wur­de in der viel­fach geäu­ßer­ten Freu­de über die Aner­ken­nung der (nicht über­ra­schen­den) Nicht-Ver­ant­wort­lich­keit des deut­schen Wiki­me­dia e.V. für die von der Wiki­pe­dia Foun­da­ti­on betrie­be­nen Mei­nungs­platt­form des hier sicht­ba­ren, grund­le­gen­den Pro­blems bis­lang kaum wahrgenommen.

Lösungsansätze

 Will man das Pro­blem der fak­ti­schen Recht­lo­sig­keit der Opfer äuße­rungs­recht­li­cher Taten durch Anpas­sun­gen deut­scher Geset­ze lösen wol­len, erweist sich dies netz­po­li­tisch als durch­aus kom­ple­xes The­ma, das hier nur skiz­ziert wer­den kann. Denn als Anknüp­fungs­punk­te zur Durch­set­zung von Unter­las­sungs­an­sprü­chen gegen die Ver­brei­tung rechts­wid­ri­ger Infor­ma­tio­nen auf Wiki­pe­dia sind schon theo­re­tisch nur denkbar:

  1.  Die Inan­spruch­nah­me des Autors eines pro­ble­ma­ti­schen Eintrages,
  2. die Inan­spruch­nah­me der Wiki­me­dia Foun­da­ti­on als Ver­brei­ter in dem Staat, in dem sie ihren Sitz hat,
  3. der Zugriff auf tech­ni­sche Infra­struk­tu­ren, derer sich der Ver­bei­ter bedient und die sich auch in ande­ren Staa­ten befin­den können,
  4. die Inan­spruch­nah­me von Drit­ten, die dem Ver­brei­ter zure­chen­bar sind und ihren Sitz in Deutsch­land haben,
  5. die Inan­spruch­nah­me von Drit­ten, die zwar nicht dem Ver­brei­ter zure­chen­bar sind, jedoch Ein­wir­kungs­mög­lich­kei­ten auf die Ver­füg­bar­keit der Inhal­te der Wiki­pe­dia haben. 

1. Hier­für bedürf­te es Kennt­nis über die Iden­ti­tät des Autors. Gegen die Ein­füh­rung eines Aus­kunfts­an­spru­ches auch bei Per­sön­lich­keits­ver­let­zun­gen nach US-ame­ri­ka­ni­schem Vor­bild ist jedoch bei­spiels­wei­se ins Feld zu füh­ren, dass die­ser ohne län­ger­fris­ti­ge Spei­che­rung aller IP-Adres­sen der Nut­zer durch die Pro­vi­der und Web­sei­ten­be­trei­ber (in den USA meist min­des­tens 60 Tage) wir­kungs­los wäre. Sowohl gegen­über einer sol­chen Vor­rats­da­ten­spei­che­rung, wie auch der Spei­che­rung von per­so­nen­be­zieh­ba­ren IP-Adres­sen bestehen jedoch erheb­li­che Beden­ken, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf Kon­flik­te mit dem Daten­schutz. Die­se Lösung stün­de zudem im Wider­spruch zur Wer­tung des § 13 Abs. 6 TMG, wonach der Anbie­ter „die Nut­zung von Tele­me­di­en und ihre Bezah­lung anonym oder unter Pseud­onym zu ermög­li­chen“ hat, soweit dies tech­nisch mög­lich und zumut­bar ist.

2. Denk­bar wäre allein eine Ände­rung der bestehen­den inter­na­tio­na­len Ver­ein­ba­rung zur Rechts­durch­set­zung, damit ein per­sön­lich­keits­recht­li­cher Unter­las­sungs­an­spruch auch in den USA voll­streck­bar wür­de. Da ame­ri­ka­ni­schen Voll­stre­ckungs­be­hör­den damit jedoch etwas durch­set­zen müss­ten, was ört­li­chem Recht wider­spricht, fehlt es hier­an an recht­li­cher Akzep­tanz, solan­ge man sich nicht auf völ­ker­recht­li­cher Ebe­ne über bestimm­te all­ge­mei­ne Stan­dards auch bezüg­lich der Ver­brei­tung von (auch nicht­s­traf­ba­ren, aber fal­schen und per­sön­lich­keits­rechts­wid­ri­gen) Infor­ma­tio­nen ver­stän­digt, ähn­lich wie die­ses in ande­ren Rechts­ge­bie­ten, wie bspw. dem See­völ­ker­recht, bereits geleis­tet wurde. 

3. Eine Voll­stre­ckung bei­spiels­wei­se in die euro­päi­sche Ser­ver­in­fra­struk­tur der Wiki­me­dia Foun­da­ti­on, wie sie in ande­ren EU-Staa­ten exis­tiert, wäre denk­bar und im Gel­tungs­be­reich euro­päi­scher Richt­li­ni­en sicher­lich auch prak­tisch, wenn auch mit erheb­li­chem wirt­schaft­li­chen Auf­wand, durch­setz­bar. Ange­sichts der Zunah­me des sog. „Cloud Com­pu­tings“, bei dem Inhal­te nicht mehr in einem dedi­zier­ten Ser­ver, son­dern inner­halb einer nicht fest defi­nier­ten „Wol­ke“ gehos­tet wer­den, dürf­te der Zugriff auf einen ein­zel­nen dezi­dier­ten Ser­vers jedoch nicht das erwünsch­te Ziel, die Unter­las­sung der Ver­brei­tung eines schäd­li­chen Inhal­tes bewirken.

4. Denk­bar wäre, den Zugang zu den Inhal­ten der Wiki­pe­dia bei Nicht­be­ach­tung einer gericht­li­chen Ver­fü­gung auf tech­ni­scher Ebe­ne zu sper­ren, indem man die deut­schen Inter­net­pro­vi­der zur Sper­rung der betref­fen­den IP-Adres­se oder der DNS im Inter­net zwingt. Der Auf­bau einer sol­chen Netz­sper­ren-Infra­struk­tur, wie er von Zugangs­er­schwe­rungs­ge­setz vor­ge­se­hen ist, steht jedoch zu Recht in der Kri­tik, die Vor­stu­fe einer all­ge­mei­nen, staat­lich kon­trol­lier­ten Zen­sur­in­fra­struk­tur zu sein, was sich durch eine Aus­deh­nung der bis­lang nur auf Kin­der­por­no­gra­phie beschränk­ten Tat­be­stän­de des Geset­zes nur noch wei­ter bestä­ti­gen würde. 

5. Letzt­lich käme dann nur noch eine Ver­schär­fung der Ver­brei­ter­haf­tung bei­spiels­wei­se ihre Aus­deh­nung auch auf Ver­ei­ni­gun­gen, die wie die Wiki­me­dia e.V. zumin­dest finan­zi­ell und ideell den Betrei­ber der Platt­form, die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on, beim Betrieb der deutsch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia unter­stützt, in Betracht. Recht­lich wür­de die­ses eine Aus­deh­nung der deut­schen Rechts­fi­gur der „Kol­lu­si­on“ bedeu­ten, wie sie im US-Recht in etwas ähn­li­cher Form als „civil con­spi­ra­cy“ bereits exis­tiert. Eine sol­che erheb­li­che Aus­deh­nung der Regeln von Stö­rer­haf­tung und Ver­ant­wort­lich­keit für die Hand­lun­gen Drit­ter könn­te jedoch im Ergeb­nis zu nicht nur für die Wiki­pe­dia, son­dern eben auch in ganz ande­ren Fäl­len, unvor­her­seh­ba­ren und uner­wünsch­ten Ergeb­nis­sen füh­ren, so dass der mög­li­che „juris­ti­sche Kol­la­te­ral­scha­den“ sehr genau zu prü­fen wäre, bevor sol­che Rechts­än­de­run­gen erwo­gen werden. 

Verantwortung zur Selbstregulierung

 Auf­grund der Recht­spre­chung des LG Ham­burg ist den Nut­zern, aber ins­be­son­de­re den Admi­nis­tra­to­ren der deutsch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia ein hohes Maß an Ver­ant­wor­tung zuge­wach­sen, da eine gericht­li­che Klä­rung in der Pra­xis kaum noch mit Zwangs­mit­teln durch­zu­set­zen sein wird. Ent­spre­chen­de Urtei­le haben zwar noch dekla­ra­to­ri­sche Wir­kung und kön­nen gegen­über Drit­ten von Bedeu­tung sein, nicht jedoch zwangs­wei­se gegen die Wiki­me­dia Foun­da­ti­on voll­streckt wer­den. Zudem steht das „Druck­mit­tel“ eines alter­na­ti­ven Vor­ge­hens gegen die deut­sche Wiki­me­dia e.V. aus vom Gericht zutref­fend fest­ge­stell­ten recht­li­chen Grün­den nicht mehr zur Verfügung.

 Das Inter­net hat – ähn­lich wie vor Jahr­hun­der­ten die Hohe See – das Poten­ti­al für neue und exis­ten­ti­el­le Regeln zum Fluss von Infor­ma­tio­nen zwi­schen den Völ­kern. „Das moder­ne See­völ­ker­recht fußt auf dem von Hugo Gro­ti­us 1609 erst­mals ver­tre­te­nen Gedan­ken des frei­en Mee­res (mare liber­um), das Zugang für alle bie­tet. Ihm gegen­über stand die 1635 von John Sel­den ent­wi­ckel­te Dok­trin des mare clau­sum, dem­nach die See in Inter­es­sensphä­ren ver­schie­de­ner Staa­ten unter Aus­schluss von Dritt­staa­ten auf­ge­teilt war. Die­se Ansicht konn­te sich aller­dings nicht durch­set­zen. Eine ver­mit­teln­de Stel­lung nahm 1703 Cor­ne­lis van Byn­kers­hoek ein. Er ging davon aus, dass im Grund­satz Eigen­tum am Meer bestehen kann und zwar so weit, wie die Macht des Staa­tes reicht. Als Gren­ze sah er die Reich­wei­te der Geschüt­ze an. Die dama­li­ge Geschütz­reich­wei­te ent­spricht der 3‑Meilenzone.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Seev%C3%B6lkerrecht)

 Im Inter­net ist noch lan­ge nicht ent­schie­den, ob sich hier in ver­gleich­ba­rer Wei­se der Gedan­ke der Frei­heit gegen­über dem der Re-Ter­ri­to­ri­a­li­sie­rung durch­set­zen wird und ob sich am Ende nicht auch eine ver­mit­teln­de Posi­ti­on zu eta­blie­ren ver­mag – bei­spiels­wei­se durch die Anknüp­fung an das Sys­tem der GeoTLDs, dass also bei­spiels­wei­se inner­halb des Namens­raum .de deut­sches Bun­des­recht not­falls auch mit tech­ni­schen Mit­teln voll­stän­dig durch­ge­setzt wird, in .ber­lin dar­über hin­aus lan­des­recht­li­che Nor­men zu beach­ten sind, dage­gen man sich unter .com oder .int des Schut­zes, aber auch des Ver­trau­ens in das Recht eines ein­zel­nen natio­na­len Staa­tes begibt, dort aber ein grund­le­gen­der, uni­ver­sel­ler Stan­dard von bestimm­ten völ­ker­recht­li­chen Regeln inter­na­tio­nal gilt und auch in jedem Land durch­setz­bar ist.

 Das Äuße­rungs­recht wird sicher­lich nicht zu die­sen uni­ver­sel­len Regeln gehö­ren kön­nen, da hier höchst­per­sön­li­che, indi­vi­du­el­le Rech­te betrof­fen sind, die jeweils einer Abwä­gung im Ein­zel­fall vor­aus­set­zen und auch von kul­tu­rel­len Eigen­hei­ten abhän­gig sind. Da der Mensch im Bereich sei­ner Wür­de und per­sön­li­chen Ehre jedoch beson­ders emp­find­lich auf Ver­let­zun­gen reagiert, ist gera­de all jenen, die sich poli­tisch für die Erhal­tung der Frei­heit des Inter­nets ein­set­zen, dazu zu raten, ganz beson­de­re Sorg­falt bezüg­lich der Ver­brei­tung von per­sön­lich­keits­recht­li­chen Infor­ma­tio­nen wal­ten zu las­sen und Ein­wen­dun­gen des Betrof­fe­nen mög­lichst umge­hend und weit­ge­hend zu berück­sich­ti­gen. Ver­sagt näm­lich der Selbst­re­gu­lie­rungs­me­cha­nis­mus der Wiki­pe­dia in einem Aus­maß, dass er von einem rele­van­ten Teil der Bevöl­ke­rung als unzu­rei­chend ange­se­hen wird, lehrt uns die Geschich­te, dass die Mehr­heit der Men­schen auch in einer Demo­kra­tie zu Guns­ten (schein­ba­rer) Rechts­si­cher­heit ggfs. auch bereit ist, Ein­schrän­kun­gen der Mei­nungs­frei­heit durch staat­li­che Maß­nah­men in einem Aus­maß zu akzep­tie­ren, das eigent­lich den Maß­stä­ben eines demo­kra­ti­schen Rechts­staa­tes wider­spricht. Inso­fern in der Zeit der „Wiki-Immu­ni­ty“ sei daher die deut­sche Wiki­pe­dia-Com­mu­ni­ty an die­ser Stel­le dar­an erin­nert, dass Frei­heit und Ver­ant­wor­tung bekannt­lich ledig­lich zwei Sei­ten einer Medail­le sind.