Auf Einladung des Ersten Ostdeutschen Journalistentages des DJV habe ich am 06.10.2012 einen Vortrag über die Probleme des (nationalen) Staates bei der Durchsetzung seines Rechts im Internet gehalten. Dabei bin ich auf Wunsch der Veranstalter insbesondere auf die Debatte um die sog. „Vorratsdatenspeicherung“ näher eingegangen.
Diese Diskussion ist vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Herausforderungen unserer rechtsstaatlichen Demokratie durch die „jüngere Schwester der Globalisierung“ zu sehen. Mit Vorschlägen wie der „Websperre“ oder gar der „Great Firewall of China“, verbinden dagegen manche den Wunsch, dem nationalen Staat wieder uneingeschränkte Durchsetzungsmacht im Internet zu verschaffen. Mit der „Vorratsdatenspeicherung“ oder „Klarnamenspflicht“ verbindet einige die Hoffnung, Straftaten und Gefährdungen im Internet wirksamer begegnen zu können.
Die Mehrheit solcher restriktiven Überlegungen führen jedoch zu der auch meines Erachtens berechtigten Sorge, dass bei ihrer Umsetzung das Internet sich nicht zu einem grenzüberschreitenden Raum neuer Freiheiten, sondern zu einem Instrument der totalen Kontrolle und Überwachung wandeln könnte. Mit der Zunahme der Bedeutung des Internets für unser alltägliches Leben würde dieses aber erhebliche negative Folgen für bürgerliche Freiheiten einer Gesellschaft insgesamt bedeuten.
Manche Besorgnisse aber halte ich dennoch für unbegründet, da ich die ihrer Begründung zugrunde liegende Forderungen selbst für problematisch halte. Dieses habe ich in meinem Vortrag am Beispiel der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung zu verdeutlichen versucht. Denn dort wird manches Mal selbst die Möglichkeit der Zuordenbarkeit einer (dynamischen) IP-Adresse zu einem Nutzer ganz grundsätzlich abgelehnt, obwohl dieses auch das BVerfG als legitim und verfassungsgemäß anerkannt hat. Hinter diesen fundamentalen Argumenten steckt m.E. daher mehr, als die (nachvollziehbare) Sorge um die „Informationelle Selbstbestimmung“ und die notwendige Auseinandersetzung um (neue) Grenzen legitimer staatlicher Überwachung oder eine Debatte über konkrete Vorschriften der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und der EU.
Das wahre Motiv bei Einigen, die sich hier in Fundamentalopposition begeben, befürchte ich, ist die Forderung nach einem absoluten „Recht auf Anonymität“ im Internet, das deutlich über das bereits bestehende Recht auf anonyme Nutzung des Internet hinausgehen und auch das Maß an Anonymität übersteigen soll, das unsere Gesellschaft in der physischen Welt für akzeptabel hält. Nicht nur, wenn „Anonymität“ jedoch „keine Verantwortung für eigenes Handeln“ verstanden werden soll, sondern schon wenn „Anonymität“ als Vorbedingung für „Meinungsfreiheit“ dargestellt wird, halte ich diese Haltung jedoch für ausgesprochen problematisch. Denn die Freiheit seine Meinung zu äußern, besteht ja gerade darin, dass man dieses ohne Furcht vor Verfolgung offen und unter dem eigenen Namen tun kann und es dazu eben gerade keiner Maske oder gar völliger Anonymität bedarf.
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>Denn die Freiheit seine Meinung zu äußern, besteht ja gerade darin, dass man dieses ohne Furcht vor Verfolgung offen und unter dem eigenen Namen tun kann und es dazu eben gerade keiner Maske oder gar völliger Anonymität bedarf.
In der DDR dufte man ja auch ohne Furcht vor Verfolgung offen in Wahlen kundtun, dass man für die Errungenschaften der Republik ist. Wenn das mal keine Meinungsfreiheit war. Wenn ich etwas sage, sollte man ja auch offen für die Strafverfolgung einsichtig nachvollziehen, was ich da für eine Meinung habe (dann kann man ja auch besser nachvollziehen, wenn ich später mal extremistisch werden sollte, darum sollte man ja auch den Verfassungsschutzbehörden mehr Kompetenzen geben). Wir leben ja schließlich in einem freien Land, und nur so (und ev. durch heimliche Durchsuchungen vom Computer, aber das wird erst später in Gesetzte gegossen) können die Behörden feststellen, dass ich auf dem Boden des Grundgesetztes stehe…
Stellen Sie sich mal vor, was für ein Aufwand das ist, wenn man erstmal mit herkömmlichen polizeilichen Methoden ermitteln muss, wer z.B. ein unliebsamens Flugblatt verfasst hat. Es könnte tatsächlich vorkommen, dass man den Urheber gar nicht ermitteln kann (vor allem, wenn kein ViSP angegeben ist). Und das wollen wir ja schließlich nicht und es kann ja nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, wenn der Urheber gar nicht zu seinen Aussagen steht oder Frucht hat, diese frei und offen zu vertreten.
Darum ist es dringend nötig, dass man sich rechtsicher identifiziert, wenn man eine Meinung z.B. im internet verfasst. Die automatische Zuordnung der IP-Adresse zu dem Nutzer (wie es der jüngste Vorschlag des Innenministeriums fordert) ist da erst der erste Schritt. Und dann ist es ja selbstverständlich, dass man diese auf Vorrat speichern muss. Darum brauchen wir unbedingt die VDS, ich kann allerdings nicht verstehen, warum Sie die Arbeit unserer Behörden erschweren wollen, indem Sie nur die Adressen für 3 Monate speichern wollen, denn schließlich ist das Abdriften in die Illegalität ja ein längerfristiger Prozess, wie man an den NSU-Morden gesehen hat. Hätten wir damals nur die Bewegungsprofile und anderen Vorratsdaten gespeichert…
Oder sind Sie anderer Meinung und ich habe sie nur falsch verstanden?
In der Tat wollen Sie das falsch verstehen: Ich plädiere ja gerade für das Recht auf anonyme bzw. pseudonyme Nutzung des Internet. Nur darf man das nicht als Vorbedingung von Meinungsfreiheit missverstehen. Die Freiheit, seine Meinung öffentlich zu äußern besteht ja darin – gerade anders als Ihr Beispiel aus der DDR – ohne Angst von staatlichen Sanktionen auch kritische Dinge öffentlich sagen zu können. Diese Freiheit gilt es auch im Internet zu verteidigen! Das geht über Anonymität weit hinaus und wäre wichtiger, als sich nur hinter „Masken“ verstecken zu können. Dieses kann in anderen Ländern aus politischen Gründen natürlich lebenswichtig sein, in Deutschland würde es dagegen nur Duckmäusertum, nicht aber die Meinungsfreiheit befördern.
Klar ist aber auch: Die Freiheit des Einen kann nicht auf Kosten des Anderen gehen. Ein Grundrecht auf Verleumdung oder Beleidigung beispielsweise gibt es nicht. Daher muss sich das Opfer erfolgreich gegen die weitere Verbreitung wehren können. Und das geht eben nicht, wenn sich der Betreiber einer Internetseite vor seiner Verantwortung drücken kann, indem er z.B. eine Domain anonym anmelden und betreiben kann. Denn anders als beim Flugblatt kann ich hier die Verbreitung nicht stoppen, indem ich mich an die Verteiler halte. Würde man das fordern, landet man bei den Stopp-Schildern…
Im Internet scheitert das (zivile) Vorgehen gegen eine anonyme Hass-Seite, die angeblich in Panama registriert ist, bislang u.A. daran, dass ich keine legalen Möglichkeiten habe, Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse zu bekommen. Wenn Urheberrechte im Spiel sind, dagegen schon (was ich für einen totalen Wertungswiderspruch halte). Wenn zur Ermittlung des Betreibers in solchen Fällen die Identifikation über seine IP-Adresse nötig ist, dann bedarf es eben dieser Möglichkeit. Aber eben nicht mehr und nicht weniger. Das was da jetzt als Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, geht jedoch weit darüber hinaus.