Die Abge­ord­ne­ten von CDU/CSU und SPD im zustän­di­gen Aus­schus­ses haben sich heu­te auf Anpas­sun­gen des Gesetz­ent­wur­fes aus dem Hau­se von Jus­tiz- und Ver­brau­cher­mi­nis­ter Hei­ko Maas ver­stän­digt und wol­len die­sen mor­gen – vor­aus­sicht­lich lei­der ohne wei­te­re Debat­te oder gar Bereit­schaft zu den eigent­lich gebo­te­nen Ände­run­gen – in der Fas­sung der Aus­schuss­druck­sa­che 18(6)72 ver­ab­schie­den. Die­se soll dann bereits am Don­ners­tag in 2./3. Lesung vom Bun­des­tag zum Gesetz erho­ben werden.

Der nicht allein von mir und vie­len ande­ren Juris­ten, son­dern auch den Ver­tre­tern der Pres­se­spre­cher und Jour­na­lis­ten von Beginn an hef­tig kri­ti­sier­te Ent­wurf für einen aus­ge­wei­te­ten §201a StGB, wird als Ergeb­nis der Ver­hand­lun­gen inner­halb der Koali­ti­on in der Fas­sung des Aus­schus­ses aller Vor­aus­sicht nach wie folgt gefasst sein:

„(1) Mit Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer

1. von einer ande­ren Per­son, die sich in einer Woh­nung oder einem gegen Ein­blick beson­ders geschütz­ten Raum befin­det, unbe­fugt eine Bild­auf­nah­me her­stellt oder über­trägt und dadurch den höchst­per­sön­li­chen Lebens­be­reich der abge­bil­de­ten Per­son verletzt,

2. eine Bild­auf­nah­me, die die Hilf­lo­sig­keit einer ande­ren Per­son zur Schau stellt, unbe­fugt her­stellt oder über­trägt und dadurch den höchst­per­sön­li­chen Lebens­be­reich der abge­bil­de­ten Per­son verletzt

3. eine durch eine Tat nach Num­mer 1 oder 2 her­ge­stell­te Bild­auf­nah­me gebraucht oder einer drit­ten Per­son zugäng­lich macht oder

4. eine befugt her­ge­stell­te Bild­auf­nah­me der in Num­mer 1 oder 2 bezeich­ne­ten Art wis­sent­lich unbe­fugt einer drit­ten Per­son zugäng­lich macht und dadurch den höchst­per­sön­li­chen Lebens­be­reich der abge­bil­de­ten Per­son verletzt.

(2) Eben­so wird bestraft, wer unbe­fugt von einer ande­ren Per­son eine Bild­auf­nah­me, die geeig­net ist, dem Anse­hen der abge­bil­de­ten Per­son erheb­lich zu scha­den, einer drit­ten Per­son zugäng­lich macht.

(3) Mit Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer eine Bild­auf­nah­me, die die Nackt­heit einer ande­ren Per­son unter acht­zehn Jah­ren zum Gegen­stand hat,

1. her­stellt oder anbie­tet, um sie einer drit­ten Per­son gegen Ent­gelt zu ver­schaf­fen oder

2. sich oder einer drit­ten Per­son gegen Ent­gelt verschafft.

(4) Absatz 1 Num­mer 2, auch in Ver­bin­dung mit Absatz 1 Num­mer 3 oder Num­mer 4, Absatz 2 und 3 gel­ten nicht für Hand­lun­gen, die in Wahr­neh­mung über­wie­gen­der berech­tig­ter Inter­es­sen erfol­gen, nament­lich der Kunst oder der Wis­sen­schaft, der For­schung oder der Leh­re, der Bericht­erstat­tung über Vor­gän­ge des Zeit­ge­sche­hens oder der Geschich­te oder ähn­li­chen Zwe­cken dienen.

(5) Die Bild­trä­ger sowie Bild­auf­nah­me­ge­rä­te oder ande­re tech­ni­sche Mit­tel, die der Täter oder Teil­neh­mer ver­wen­det hat, kön­nen ein­ge­zo­gen wer­den. § 74a ist anzuwenden.“

So erfreu­lich die Ver­än­de­run­gen des Aus­schus­ses gegen­über dem ursprüng­li­chen Vor­schlag des Minis­te­ri­ums auf den ers­ten Blick wir­ken, ist es den MdBs jedoch beim zwei­ten Hin­se­hen lei­der nicht gelun­gen, die von nahe­zu allen Sach­ver­stän­di­gen abge­lehn­te Vor­schrift ent­we­der ganz aus dem Geset­zes­pa­ket zu strei­chen oder wenigs­tens trenn­scharf auf die poli­tisch eigent­lich gewoll­ten Fäl­le, etwa des „Cybermob­bing“, zu begren­zen und mit den exis­tie­ren­den pres­se­recht­li­chen Vor­schrif­ten des KUG in Ein­klang zu brin­gen. Es ver­blei­ben damit lei­der beson­ders für alle in der PR- und Öffent­lich­keits­ar­beit täti­gen Pro­fis nicht uner­heb­li­che Risi­ken der Straf­ver­fol­gung bestehen, z.B. dass1.

1. bereits die Nackt­heit (nicht Por­no­gra­phie!) eines Men­schen unter 18 Jah­ren Straf­ver­fol­gung aus­lö­sen kann, weil ein Staats­an­walt z.B. der Mei­nung ist, dass Bild eines (auch nur teil­wei­se unbe­klei­de­ten) 17-jäh­ri­gen (Pro­fi-) Modells wäre pro­fa­ne Wer­bung und wür­de daher nicht Kunst oder auch sonst kei­nem höhe­ren Inter­es­se dienen,

2. oder weil jemand behaup­tet, eine ver­brei­te­te Auf­nah­me wäre geeig­net „dem Anse­hen der abge­bil­de­ten Per­son erheb­lich zu scha­den“, weil ihm pein­lich ist, bei wel­cher per­sön­li­chen Fehl­leis­tung er gera­de erwischt wurde,

3. oder es wür­de die „Hilf­lo­sig­keit einer ande­ren Per­son zur Schau“ gestellt, wenn z.B. Gewalt­op­fer gezeigt werden.

Da bereits die Her­stel­lung – also „das Drü­cken des Aus­lö­sers“ – in den letz­ten bei­den Vari­an­ten zur Straf­bar­keit füh­ren kann, wird es künf­tig also sehr wich­tig sein, etwa bei Auf­nah­men für eine (mög­li­cher­wei­se bewusst kon­tro­ver­se) PR (den­ke da so an Kam­pa­gnen vor PETA, Amnes­ty oder auch Akti­on Mensch), gleich schon mal eine sehr über­zeu­gen­de Argu­men­ta­ti­on an der Hand zu haben, wor­aus sich die (kon­kre­te!) Recht­fer­ti­gung ergibt, „so etwas“ über­haupt zu foto­gra­fie­ren oder sich „zu verschaffen“.

Wie das künf­tig etwa Stock-Pho­to-Agen­tu­ren für vie­le ihrer heu­te im Inter­net (abso­lut lega­len und eigent­lich unpro­ble­ma­ti­schen) abruf­ba­ren Auf­nah­men gelin­gen wird, ist mir ein Rät­sel. Da es sich dem Gesetz­ent­wurf nach künf­tig um ein „rela­ti­ves Anzei­ge­de­likt“ han­deln soll, kann zudem auch jeder, der Anstoß an einem Foto­gra­fen nimmt, selbst spon­ta­ne, situa­ti­ons­ge­ge­be­ne Auf­nah­men aller Art zur Anzei­ge brin­gen und damit für den Betrof­fe­nen min­des­tens sehr unan­ge­neh­me, wenn nicht sogar exis­tenz­ver­nich­ten­de Straf­ver­fol­gung aus­lö­sen – obwohl zivil­recht­lich alles recht­mä­ßig ist und bleibt.

Es gab einen guten Grund, war­um fast alle Sach­ver­stän­di­ge in der Anhö­rung des Aus­schus­ses den Ent­wurf des BMJV zu §201a StGB abge­lehnt haben und es ist für mich lei­der nicht nach­voll­zieh­bar, war­um die zustän­di­gen Abge­ord­ne­ten sich hier nicht gegen die über­zo­ge­nen Plä­ne des Minis­ters Maas durch­ge­setzt haben oder durch­set­zen wollten.