Justizsenator Dr. Till Steffen, jüngstes Mitglied im Schwarz-Grünen Senat von Hamburg, hat am 12.03.2010 gemeinsam mit Grünen „Netzpolitikern“ ein Diskussionspapier „für ein nutzerorientiertes Urheberrecht“ vorgestellt. Einige konstruktiv kritische Gedanken zu diesem Papier.
Das Diskussionspapier ist in Kurz- und Langfassung hier abrufbar:
http://www.hamburg.de/themen-und-aktuelles/2164812/2010–03-12-jb-urheberrecht.html
Steffen präsentiert in dem Papier Ideen und Vorschläge für eine grüne Politik im Bereich des Urheberrechts. Und in der Tat enthält es einige sehr interessante und tatsächlich sehr diskussionswürdige Ansätze, die hoffentlich auch in der Enquete-Kommission des Bundestages besprochen werden.
Mein persönlicher Hauptkritikpunkt: Leider blendet das Paper die internationale Perspektive, die in der politischen Praxis heute für das Urheberrecht aber überwiegend prägend ist, weitgehend aus. Zwar wird festgestellt: „Wir müssen das deutsche Urheberrecht, das europarechtlich und international geprägt ist, den sich wandelnden technologischen Bedingungen anpassen“ (S.2), doch sind die konkreten Lösungsvorschläge dann wieder allein am nationalen Rechtsrahmen orientiert. Das aber entwertet das Papier insgesamt, denn es bleibt der Verdacht „symbolischer“ Vorschläge zurück und nicht konkreter politischer Lösungen für die in dem Papier durchaus zutreffend beschriebenen Probleme.
Die nächste Konferenz der Justizminister findet am 23. und 24. Juni in Hamburg statt. Der Hamburger Justizsenator hat den Vorsitz für das Jahr 2010 inne. Wünschenswert wäre es, wenn er über die Beschreibung diskussionswürdiger Ziele in seinem Papier hinaus, dieses Podium für die Erarbeitung konkrete Vorschläge für Initiativen nutzen würde, die Änderungen an den internationalen Vorgaben bewirken, damit die Änderungsvorschläge für das deutsche Recht nicht am Ende an den internationalen Vorgaben scheitern müssen.
Anmerkungen zu einigen der Vorschläge:
Das vorgelegt Diskussionspapier bringt ein grundlegendes Problem der Informationsgesellschaft zum Ausdruck: Dem Gesetzgeber ist bislang es nicht gelungen, einen angemessen Ausgleich zwischen den Interessen von Rechteinhabern und Nutzern im Bereich des Urheberrechts in der digitalen Welt zu schaffen.
Das vorgelegte Diskussionspapier soll Anlass bieten, über die bestehenden Regelungen zu diskutieren. Eine solche Diskussion kann aber nur Gewinn bringend sein, wenn Sie sich an dem orientiert, was rechtlich und praktisch umsetzbar ist. Viele Denkansätze, wie eine Vereinfachung des Urheberrechts und die Stärkung von Nutzerrechten, sind dabei sicherlich positiv zu werten. Das Urheberrecht ist unzweifelhaft reformbedürftig. Das Hamburger Papier geht jedoch zu wenig darauf ein, dass das deutsche Urheberrechtsgesetz nicht isoliert von europarechtlichen Vorgaben und internationalen Verträgen betrachtet werden kann.
Natürlich ist es für jede Partei wichtig, Ziele zu bestimmen. In Regierungsverantwortung – wie es Till Steffen in Hamburg ist – muss man von ihr aber auch fordern, zumindest den Weg für eine taugliche Umsetzung der eigenen Ideen zu beschreiben.
Die Urheberrechtsrichtlinie: Schutz von DRM
Mit dem Erlass der Richtlinie 2001/29/EG (Urheberrechtsrichtlinie) hat der europäische Gesetzgeber bewusst eine Entscheidung für die sogenannten „Rechteinhaber“ getroffen, indem er technischen Schutzmaßnahmen einen generellen Schutz gewährte, der grundsätzlich unabhängig von etwaigen Urheberrechten bestehen soll. Eine solche Regelung befand sich jedoch schon zuvor in den WIPO Verträgen, die sowohl die europäische als auch die amerikanische Gesetzgebung (Digital Millenium Copyright Act-DMCA) in diesem Bereich nach sich zogen.
Digital Rights Management (DRM) und dessen regulatorische Behandlung hat somit nicht nur in Deutschland zur Folge, dass Rechteinhaber bei digitalen Verbreitungsformen gegenüber Nutzern frei bestimmen können, welche Nutzungsrechte sie ihnen einräumen. Die bestehenden gesetzlichen Vorschriften regulieren dabei nicht nur technische Maßnahmen, die die Nutzung, sondern auch den Zugang verhindern können.
Das Recht auf Privatkopie
Der Vorschlag, das Recht auf Privatkopie zu garantieren, in dem es in AGBs nicht mehr abbedungen werden kann, vermag dieses Problem, welches auf internationaler Ebene geschaffen wurde, dagegen nicht zu beheben. Zwar sieht Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2001/29/EG vor, dass Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen können, um das Recht auf Privatkopie und andere Rechte zu ermöglichen. Der Rechtsinhaber kann dadurch jedoch nicht gehindert werden, geeignete Maßnahmen in Bezug auf die Zahl der Vervielfältigungen zu ergreifen. Inwieweit die Richtlinie das Umgehen von Schutzmaßnahmen auch dann sanktionieren will, wenn der Nutzer ein berechtigtes Interessen an der Verwendung hat, ist nicht eindeutig geklärt. Zumindest aber ist diese Vorschrift bei jeder Änderung des nationalen Rechts zu beachten, da Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet ist.
Der Vorschlag das Recht auf Privatkopie als unabdingbares Recht in § 308 BGB zu verankern, stößt ebenfalls auf europarechtliche Bedenken, da die Richtlinie 2001/29/EG ja gerade die Möglichkeit eingeräumt hat, dieses Recht technisch zu begrenzen. Darüber hinaus besteht insbesondere in den Fällen ein unangemessener Ausgleich, in dem gar kein Nutzungsvertrag unter Verwendung von AGB zustande gekommen ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Werke die gar keinen Schutz mehr genießen, digital nicht frei zugänglich gemacht werden. Mit anderen Worten: Nutzungsrechte werden insbesondere in den Fällen beschränkt, in denen Werke erst gar nicht frei zugänglich gemacht werden. Dort aber gelten auch keine AGBs. Dies ist vor allem ein Problem im Bereich der Wissenschaft, denn immer mehr wissenschaftliche Zeitschriften sind nur noch online bzw. als Software verfügbar, wohingegen nur wenige Einrichtungen einen solchen Online-Zugang auch für einen größeren Nutzerkreis bezahlen können.
Nutzerorientierte Schutzzweckklausel
Der Vorschlag, das Urheberrecht an den Bedürfnissen der Nutzer auszurichten, indem §1 und §11 UrhG geändert wird, erscheint nicht zielführend. Während es sicherlich wünschenswert wäre, die Sozialbindung des Urheberrechts stärker zu betonen, besteht der Zweck des Urheberrechts jedoch zweifellos darin, Schaffenden einen gewissen Anreiz zu geben, damit sich Ihre kreative Arbeit überhaupt lohnen kann.
Das Problem des Urheberrechts, wie es durch die Richtlinie 2001/29/EG geprägt wurde, besteht in der Praxis doch darin, dass in der wirtschaftlichen Realität heute nicht mehr überwiegend der Schaffende wirtschaftlich geschützt bzw. begünstigt wird, sondern diejenigen, die an der marktmäßigen Verbreitung des Werks verdienen wollen und in der Vergangenheit sehr gut verdient haben. Ihr gesamtes Geschäftsmodell ist aufgrund der Flüchtigkeit und Kopierbarkeit digitaler Informationen in Gefahr und befriedigende Lösungen haben sie für sich dabei nicht gefunden. Wegen der Verluste im Vertrieb körperlicher oder anderweitig kontrollierbarer Trägermedien aber geben sie die „digitale Dividende“ beim „Content“ nicht an die Nutzer im gleichen Maße weiter.
Hierin mag doch der eigentliche Grund für die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz des Urheberrechts zu sehen sein: Während der überwiegende Teil der Menschen bereit ist, dem individuellen Werkschaffenden für die erstmalige Nutzungsmöglichkeit seines Werkes fair zu vergüten, sehen es die meisten als ungerechtfertigt an, wenn diejenigen, die das Werk kopieren und verbreiten, die gleichen Preise wie aus der Vor-Digitalen Zeit aufrufen, obwohl sich die Kosten des Vertriebs dank Digitalisierung und Internet enorm verringert haben. Selbst Menschen, die weiterhin ein hohes Budget für die legale Beschaffung von urheberrechtlich geschützten Werken aufwenden, beanspruchen für sich parallel mittels „Raubkopien“ eine Form von „Naturalrabatt“ und haben dabei (menschlich nachvollziehbar) auch kein wirklich schlechtes Gewissen.
Angemessene Vergütung
Der Vorschlag, neue zusätzliche Einnahmequellen für Urheber zu schaffen, indem z.B. eine Pauschalierung der Zahlungen erfolgt, sollte zudem noch kritischer diskutiert werden. Bereits mit dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft wurde die pauschale Vergütung neu geregelt. Dadurch erhielten die Rechteinhaber weitgehend die Möglichkeit, die Vergütung als Ausgleich für gesetzlich erlaubte Vervielfältigungen selbst zu bestimmen. Diese Befugnis kann jedoch nur in einem sehr engen Rahmen von den Rechteinhabern ausgeübt werden.
Werden nunmehr aber weitere Umlagen erhoben, besteht die Gefahr, dass Verbraucher zukünftig Geräte im Ausland erwerben, wenn die Pauschalen in ihren Augen zu hoch werden, da ein moralischer Zusammenhang zur Vergütung von Werkschaffenden nicht hergestellt werden wird – „Geiz“ ist vielmehr besonders bei Technik „geil“. Insofern ist auch hinsichtlich der Frage nach zusätzlichen Einnahmequellen auf eine internationale, zumindest europäische Lösung hinzuwirken. Eine weitergehende Änderung auf nationaler Ebene ist insofern nur sehr beschränkt zielführend.
Um die generelle Akzeptanz des Urheberrechts – in Alternative zu Vorschlägen von stärkerer konkreter Rechtsverfolgung oder verfassungsfeindlichen Ideen einer totalen (automatisierten) Kontrolle des Datenverkehrs bis hin zur „digitalen Hinrichtung“ – wieder zu stärken, ist es erforderlich, vor allem dort neue Regelungen zu finden, wo durch die Digitalisierung völlig neue Ausgangssituationen geschaffen wurden. Dies bedeutet insbesondere, dass sich die Verbreitungs- und Vervielfältigungsmöglichkeiten wesentlich vereinfacht haben. Dies bringt Vor- und Nachteile für Nutzer und Rechteinhaber.
Die Richtlinie 2001/29/EG geht noch auf eine Zeit zurück, in der das Internet noch nicht im heutigen Ausmaß die Lebenswirklichkeit geprägt hat. Das deutsche Urheberrecht hat sich dennoch an dieser Richtlinie zu orientieren. Mitunter problematisch ist auch, dass die Richtlinie zu keiner nennenswerten Harmonisierung innerhalb Europas geführt hat. Es macht jedoch keinen Sinn, wenn Deutschland sich weiter von den Regelungen anderer EU-Ländern entfernt. Gerade bei so Fragen wie der Schutzdauer von Werken wäre dieses auch nicht zu begründen. Denn es sind ja beispielsweise gerade wir Deutschen gewesen, die auf die lange Dauer von bis zu 70 Jahren nach dem Tod des Werkschaffenden bestanden haben. Gefordert ist zunächst eine generelle Reform auf europäischer Ebene. Würde man sich darauf beschränken, Änderungen nur beim deutschen Recht vorzuschlagen, bliebe dieses nur in Grenzen zielführend – eher Ausdruck von hilfloser symbolischer Politik aufgrund eigener Einflusslosigkeit.
Bei aller Reformbedürftigkeit des Urheberrechts darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass es auch in der digitalen Welt immer noch einen legitimen Grund für das Urheberrecht gibt. Dieser wird sowohl von den Werkschaffenden, aber auch von den meisten Nutzern weiterhin akzeptiert und befürwortet. Einzelne Bedingungen und vor allem Preise bzw. Preissysteme sind streitig. Dieses kann jedoch nur auf internationaler Ebene gelöst werden.
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