Während sich Netzpolitik und „Zivilgesellschaft“ noch in symbolhaften Diskussionen an der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung abarbeiten, schafft das BMI einfach Fakten und legt dem Bundeskabinett eine gesetzliche Ergänzung des TKG vor, die eine neue elektronische Schnittstelle zur Abfrage von Kundendaten einführen will. Und kaum jemand scheint es zu bemerken. Kommt damit das „Quick“ jetzt ohne das „Freeze“? Ein Kommentar zum Dokument.
Während
- sich das EU-Parlament gerade mit der Kommission einen Schaufensterkampf darüber liefert, ob und wann denn die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung angepasst wird – und die wohlmeinenden Netzpolitiker dabei geflissentlich zu verschweigen versuchen, dass sie in ihrer eigenen Fraktion noch nicht mal einer Mehrheit für eine Aufhebung der Richtlinie sicher sein könnten,
- die Begehren von Mitgliedern in der SPD und anderswo gegen „Vorratsdatenspeicherung in jeglicher Form“ gerade krachend gescheitert sind,
- sich der AK Vorrat noch selbst für seinen „erfolgreichen“ aber völlig wirkungslosen Auftritt bei der Anhörung des Petitionsausschusses des Bundestages feiert, bei der sogar der Staatssekretär von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kritische Dinge über die Vorratsdatenspeicherung gesagt hat (hört! hört!) – aber eigentlich nur noch darauf hoffen kann, dass der Wahltermin seiner Ministerin es ihr gnädigerweise erspart, sich in dieser Frage zwischen Umfallen vor den Strafzahlungen der EU oder Zurücktreten entscheiden zu müssen,
während all dieses unsere Aufmerksamkeit beansprucht und manche vor lauter rechtschaffener, vorratsdatenspeicherungsablehnender Empörung gar nicht mehr wissen, wohin mit ihren Gefühlen – was passiert da? Das Bundeskabinett schafft zwischenzeitlich einfach schon mal neue Fakten in Sachen Kommunikationsüberwachung. Und das voraussichtlich schon morgen – und dann sicherlich mit allen Stimmen der FDP – auch der von unserer so standhaften Justizministerin:
Während also viele noch davon träumen, man könnte bei der Vorratsdatenspeicherung die Büchse der Pandora einfach so wieder schließen, will das Bundesministerium des Inneren (BMI) ganz offensichtlich die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene, notwendige Anpassung des § 113 TKG zur Bestandsdatenauskunft gleich mal dazu nutzen, klammheimlich erste Fakten zu schaffen. Quasi das „Quick“ schon mal vor dem „Freeze“ einführen. Aus Sicht des BMI sogar verständlich: Denn irgendwie muss es ja aus Sicht der Sicherheitsbehörden selbst dann weitergehen, wenn sich die Justizministerin politisch verrannt hat und deshalb keine rechtskonformen, eigenen Vorschläge vorlegt.
Der Vorschlag: Ein neuer Abs. 5 im § 113 TKG soll eine elektronische Schnittstelle zur Bestandsdatenabfrage einführen. Und ein neuer § 100j StPO soll den Anspruch auch auf dynamische IP-Adressen ausdehnen, die „zu einem bestimmten Zeitpunkt“ zugewiesen waren. So jedenfalls steht es hier in diesem Entwurf: 2012–09-26_BR_Gesetzesentwurf_Bestandsdatenauskunft
Was bedeutet das?
Zusätzlich zur bisherigen manuellen Abfrage sollen die Telekommunikationsunternehmen gezwungen werden, in eine elektronische Schnittstelle zu investieren, die von zahlreichen Diensten künftig als der „Quick-Button“ gedrückt werden kann. Ohne richterliche Auskunft oder vorheriger Kontrolle – aber zu Lasten der betroffenen Unternehmen, denen die Verantwortung zugeschoben wird – können dann nicht nur „near time“ alle vorhandenen Bestandsdaten im Sinne von „welchem Kunden gehört eine Rufnummer oder IP-Adresse“, sondern eben auch PUKs für Handys, Passwörter für die Cloud und viele anderen schönen Sachen ganz leicht, easy und ohne Kontrolle abgefragt werden.
Von den Netzpolitikern hat das bislang offensichtlich keiner bemerkt. Und die selbsternannte Zivilgesellschaft in Form von „Digitaler Gesellschaft“ und Co. kämpft lieber fürs „Grundrecht auf anonymes WLAN-Surfen“ (oder war es doch nur die Störerhaftung?). Nur so „böse Lobbyistenverbände“ wie der VATM haben sich darüber bei der Bundesregierung beschwert. Und das völlig zu Recht! Denn wenn das der Preis ist, den wir für die krude Idee des „Quick Freeze“ bezahlen sollen, erscheint er mir zu hoch. Es bewahrheitet sich dann nämlich, was ich schon vor mehr als einem Jahr als „Wolf im Schafspelz“ bezeichnet habe. Wenn das am Ende wirklich so käme, dann könnte dieses im Ergebnis deutlich schlimmer wirken, als eine begrenzte Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gewirkt hätte.
Aber, wahrscheinlich sehe ich das ganz falsch und der Gesetzentwurf rauscht gar nicht morgen durchs Kabinett, ist ganz anders und völlig in Ordnung und ich male nur wieder schwarz und bin viel zu kritisch mit allem…
Damit werden aber nicht nur die Daten von Privatpersonen ausspioniert sondern auch die vieler Kleinunternehmer wir Handwerksbetriebe und Dienstleister sowie Einzelhändler etc. Dies stellt auch einen Eingriff in die freie Ausübung von Berufen dar, da unbemerkt und ohne Grund spioniert werden darf. Da in unserer heutigen Gesellschaft die Grundwerte wie Pflicht und Ehre sowie Vertrauen eh absolet sind, kann der Mißbrauch ungeahnte Ausmaße annehmen.
Wenn nichts genehmigt werden muss und ein anonymer Zugang besteht, wer soll dann noch kontrollieren, was legal oder illegal ist? Das bedeutet definitiv das Ende des Rechtsstaates!
Sehr geehrter Hr.Jan Moenikes,
dank Ihrer Interessenwahrung Ihres Berufsstandes, was sich vor unseren Augen abspielt.
Meine Kommentare im Netz vor Jahren zeigen lange diese Gefahr+ man hat vor einen
IT-Labyrinth gewarnt, was sich dadurch bilden wird. Wir haben in unserer It-Sicht,
5Jahren vorgebaut dieser Entwicklung+ können mit einer sicheren technischen
Möglichkeit sämtliche Handlungen auf der Tastatur diktieren.
Schlau sieht anders aus, man sieht es einen nicht an.
Wie will man, Einfluss nehmen, wenn die Server von Island aus funktionieren?
Crytografische Tools mit einer hohen Bitverschlüsselung können bis zu
75jahre in der Endschlüsselung dauern.
Man ist schon erstaunt, welche Ratlosigkeit in diesen Zusammenhang einher geht!!!
MfG rauhöft
Inwieweit unterscheidet sich das jetzt von der seit langen vorgesehen Normierung zur Abfrage der VDS-Daten?
http://heise.de/-178769
Das einzige Problem dabei scheint mir doch, dass ein Gesetz schwerer durchzusetzen ist als eine Ausführungsbestimmung…Andererseits muss ja man was machen, wenn es schon das BVerfG es fordert, ansonsten hätten man die Normierung per Verordnung installiert und gut ists…
Nein das Problem ist die VDS und nicht die Abfrage der Daten, die ja nur deshalb gesammelt werden sollen, da ja der Bürger straffällig werden könnte. Nur die VDS garantiert vollständige Überwachung der Bürger. Im Gegensatz zum BVerfG bin ich der Meinung, dass die Speicherung schon Überwachung bedeutet, da man dann schon das Verhalten dahingehend anpassen muss, um nicht aufzufallen, wie dieses Gesetz oder die Norm zeigt…
Aber dass sowas wie eine Sina-Box dafür bei den Providern kommt, war klar, da sich kein Geheimdienst gerne in die Karten schauen lässt und der Bürger ja auch möglichst nicht mitkriegen soll, wenn und ob er gerade überwacht wird.
Auch wenn man es wie das BVerfG sieht:
Einer der Unterschiede ist z.B., dass bei der VDS die Bestandsdatenabfrage zentral über die BNetzA erfolgen sollte. Diese hätte auch überprüft, ob der Abfrager dafür auch berechtigt ist. Wenn das Gesetz so wie im Entwurf käme, könnte aber jeder, der Zugriff auf diese Schnittstelle hat, Anfragen starten. Die Berechtigung soll das verpflichtete Unternehmen überprüfen. Nur – wie soll es das denn praktisch tun? Da auch dynamische IP-Adressen nunmehr wie ein Bestandsdatum erfasst werden soll (womit auch das BVerfG kein Problem haben dürfte), könnte das also der „Quick“-Button für jeden „Streifenbullen“ mit Computerzugang in seinem Revier sein. Ganz ohne Richter oder Kontrolle durch die BNetzA. Da im Internet und der Telekommunikation bei den Unternehmen zwangsläufig Daten anfallen (ich weiß es gibt da draußen Leute, die wollen das nicht hören…), aber heute zum Teil eben nur kurz gespeichert werden (z.B. 1 Woche IP bei echter Flatrate), dürfte dieser „Button“ also künftig ganz oft und ganz schnell – eben „Quick“ – gedrückt werden. Und da etwas „Gefriergut“ immer da sein wird, lässt sich durch heftiges Drücken Überwachung auch so organisieren…
Das ist trotzdem was anderes, als eine Überwachungsmaßnahme via Sina-Box. Denn die ist – anders als das, was hier vorgesehen ist – teuer und für die Behörde sehr aufwendig. Und man braucht vorher eine richterliche Verfügung.
Ich gebe Ihnen ja recht, bis auf:
> Da im Internet und der Telekommunikation bei den Unternehmen zwangsläufig Daten anfallen (ich weiß es gibt da draußen Leute, die wollen das nicht hören…), aber heute zum Teil eben nur kurz gespeichert werden (z.B. 1 Woche IP bei echter Flatrate),
Ich tendiere aber eher zu einem Provider der z.B. 0 Wochen die IP bei echter Flatrate speichert, sie direkt nach der Trennung löscht. Um zu verhindern, dass es solche Provider gibt, braucht man aber die VDS.
Dass das BVerfG keine Probleme damit hat, hat es ja schon im entsprechenden Urteil gezeigt.
>teuer und für die Behörde sehr aufwendig
Na, das ist doch ein Grund, weitere Mitarbeiter einzustellen…
Der Unterschied zu einer heutigen Sina-Box ist der, dass vorher der Überwachte verdächtig sein muss , bevor die Überwachung angeordnet wird (also nicht jeder Bürger automatisch verdächtig ist, wie bei der VDS). Und dass sie (richterlich) angeordnet werden muss. Aber das ist eine Formsache…
Aber auch die BNetzA würde den Verfassungsschutzbehörden den Zugriff auf die Daten erlauben und damit ist (mMn) nicht mehr gesichert, dass nicht rechtsradikale Vereinigungen Zugriff darauf haben (o.K., der letze Satz war unsachlich, ich ziehe ihn hiermit zurück..)
[…] und viele andere schönen Sachen ganz leicht, easy und ohne Kontrolle abgefragt werden.” RA Jan Mönikes Das Gesetzesvorhaben ist dumm, dümmer, verfassungswidrig. Aber das hat die Bundesregierung noch […]