Am 24.04.2013 habe ich im Rahmen des 2. BdP-Forums in der Bundespressekonferenz in Berlin einen Impuls für die anschließende Diskussion mit Vertretern aus PR und Journalismus liefern dürfen. Auf Wunsch einiger Teilnehmer dokumentiere ich hier das Manuskript meines Vortrages, der als pointierter Einstieg in die anschließende Diskussion zwischen Béla Anda, Stellvertretender Chefredakteur, BILD, Michael Donnermeyer, Berater und Sprecher von Peer Steinbrück, SPD, Prof. Dr. Margreth Lünenborg, Arbeitsstelle Journalistik, Freie Universität Berlin, Petra Sorge, Redakteurin, Cicero Magazin, Dr. Jörg Schillinger, Leiter Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, Dr. August Oetker KG, Moderation: Silke Engel, inforadio/ARD Hauptstadtstudio diente:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn eine Diskussion zum Verhältnis zwischen Journalisten und Pressesprechern ausgerechnet vom Justitiar des Verbandes eingeleitet wird, dann dürfen sie die Hoffnung haben, dass heute nicht nur über Herausforderungen, sondern auch über Probleme gesprochen werden soll.
Sie mögen das aber vielleicht auch als Warnsignal verstehen. Denn Medienanwälte wie ich werden gerade von Pressesprechern – die ja in ihrem Berufsleben oftmals selbst als Journalisten tätig waren – eigentlich nur ganz ausnahmsweise um Hilfe gebeten. Nämlich dann, wenn eine professionelle Kommunikation nicht oder nicht mehr gelingt, wenn aus einem Arbeitsverhältnis ein Konfliktverhältnis geworden ist oder mindestens zu werden droht. Viele Pressesprecher empfinden den Gang zum Anwalt nämlich als professionelle Niederlage, glauben sie doch, dass gelungene Kommunikation eigentlich alle Probleme lösen können müsste. Dass dennoch immer öfter der Anwalt bemüht wird, ist allerdings keine seltene Ausnahme mehr und nicht nur das Ergebnis erfolgreichen anwaltlichen Marketings, sondern wird jedenfalls bezüglich bestimmter Formate und Themen in den Medien leider eher zur Regel.
Um es dabei klar zu sagen: Ich meine damit nicht etwa untaugliche Versuche, sich mit Hilfe des Anwaltes gegen kritische Berichterstattung zu wehren. Ich meine auch nicht irgendwelche B- oder C‑Promis, die mit der BILD-Zeitung den Fahrstuhl nach oben gefahren sind und sich nun darüber wundern, wenn jemand in der Redaktion auch mal den Abwärtsknopf drückt. Und ich meine auch nicht Bloggivisten, die das massenmediale Potential des Internets nutzen wollen und sich dabei vor allem einer „gerechten Sache“ und nicht journalistischen Standards verpflichtet sehen. Denn sie nehmen – anders als Medien und Presse – für sich vielleicht eine „richtige Meinung“, nicht aber den Maßstab professioneller, wahrheitsgemäßer Berichterstattung in Anspruch.
Nein, ich meine eine zunehmende Zahl von Fällen, in denen selbst „Qualitätsmedien“ und dabei auch preisgekrönte öffentlich-rechtliche Fernsehformate, nicht über gesellschaftliche Probleme oder Übergriffe berichten, sondern selbst übergriffig und damit zum Problem für unsere Gesellschaft werden. Wenn ich z.B. Frontal 21, Report oder Panorama schaue, finde ich kaum noch eine einzige Sendung, die mir rechtlich unproblematisch erscheint und die mir nicht tags darauf Arbeit macht. Die wenigsten dieser Fälle aber werden am Ende wirklich rechtlich ausgetragen, denn viele der Betroffenen PR-Schaffenden reagieren auf übergriffiges Verhalten der Medien nach dem Motto: „Der Klügere gibt nach“. Und das ist auch richtig, aber eben nur so lange, bis man der Dumme ist.
Ich will mich in meinem kurzen Impuls daher bewusst nicht auf konkrete Beispiele oder Formate beziehen. Nicht, weil ich nicht viele davon hätte, sondern weil jedes dieser Beispiele zum Einzelfall kleindiskutiert werden kann. Auch eine zunehmende Zahl sehr ähnlich gelagerter „Einzelfälle“ lassen jedoch gewisses Muster erkennen, was ich als Anregung für die kommende Diskussion so beschreiben will:
- Während der Anspruch des Journalisten an verantwortliches Verhalten, an Transparenz und auch die Bereitschaft zur selbstkritischen Reflektion bezüglich aller anderen relevanten gesellschaftlichen Gruppen, besonders aber gegenüber Akteuren in Wirtschaft und Politik, stetig zunimmt, verweigert man sich solcher Fehlerkultur in den Medien selbst – mit gleichfalls zunehmender Tendenz. Jeder Fehler der Anderen aber wird zum Skandal und die Skandalisierung verkommt zum Selbstzweck.
- Der Grundsatz „audiatur et altera pars“ (auch der andere Teil soll angehört werden) beispielsweise, der als Selbstverständlichkeit nicht nur in Pressekodizes, sondern eben auch im rechtlichen Anspruch auf Gegendarstellung seinen Ausdruck findet, wird heute im Konfliktfall von fast allen Medien, durchgängig und pauschal zurückgewiesen und ist nicht nur ausnahmsweise, sondern standardmäßig, nur noch mit gerichtlicher Hilfe durchsetzbar. Und das betrifft eben nicht mehr nur die BILD-Zeitung.
- Selbst in Fällen eindeutiger Falschberichterstattung, mangelhafter Recherche und groben Persönlichkeitsrechtsverletzungen, erlebe ich es in meiner Praxis immer wieder, dass überhaupt erst nach Diskussionen zwischen Juristen ein Medium zur Veröffentlichung einer „Korrektur“ an verschämter Stelle bereit ist; eine Entschuldigung beim Betroffenen durch den verantwortlichen Redakteur aber – wenn überhaupt – nur unter der Voraussetzung erfolgt, dass dem Täter vom Opfer Vertraulichkeit zugesichert wird. Ein solcher Umgang mit eigenen Fehlern würde in der Wirtschaft oder im öffentlichen Bereich aber würde in Medienberichten zu Recht als skandalös bewertet werden. In den Redaktionen gilt das aber schon als freundliches Entgegenkommen.
- Selbst Nachrichtenagenturen nehmen auch offensichtlich fehlerhafte Meldungen nicht mehr genauso offen zurück, sondern korrigieren sie lediglich in „neuen Zusammenfassungen“. Dass sie Verdächtigungen und Gerüchte – im Unterschied zu anderen Medien – nicht über ihren „Ticker“ verbreiten dürften, wollen sie ihre rechtliche Privilegierung als verlässliche Quelle nicht gefährden, scheint im Kampf um Kunden und Quoten gar kein relevanter Gedanke mehr zu sein.
- Kommt man darüber mit den Akteuren ins Gespräch, so wird das eigene Versagen mit unterschiedlichsten Argumenten entschuldigt. Selbstkritisches ist meist nicht dabei. Die gerade erst Anfang April veröffentlichte Studie des Erich-Brost-Instituts für internationalen Journalismus an der TU Dortmund, wonach Deutschlands Medienmacher sogar im internationalen Vergleich Schlusslicht in Sachen Kritikkultur sein sollen, deckt sich jedenfalls mit meinen eigenen Erfahrungen. Wenn es auch stimmt, dass mehr als ein Drittel der darin befragten deutschen Journalisten selbst nie oder fast nie Kolleginnen und Kollegen kritisieren und zwei Drittel sogar nie oder fast nie selbst von Kollegen oder Vorgesetzten kritisiert werden, dann sind jedenfalls die deutschen Journalisten entweder eine fast perfekte Berufsgruppe oder aber lassen gerade das vermissen, was sie von anderen gesellschaftlich relevanten Akteuren völlig zu Recht einfordern: Fehlerkultur und Verantwortung.
Verantwortung der Medien und Selbstverantwortung der Medienschaffenden aber ist besonders in unserer heutigen Mediengesellschaft nicht mehr allein eine Frage der „B‑Note“. Medienverantwortung war schon immer vielmehr die Voraussetzung für Pressefreiheit. Nur die Beachtung der journalistischen Standards vermag nämlich die rechtliche Privilegierung der Medien, beispielsweise in der Verdachtsberichterstattung, zu begründen.
So wenig wie bei staatlichen Eingriffen in Grundrechte der Zweck die Mittel heiligen darf, darf die Pressefreiheit daher gegen Persönlichkeitsrechte ins Feld geführt werden, denn sie sind Ausdruck von Menschenwürde und ihr gegenüber kann es keine schrankenlose Freiheit geben, auch nicht für die Presse.
Das bekommt heutzutage eine neue Dimension: Während es früher Journalisten meist gereicht hat, über Skandale zu berichten, gibt es nun eine Tendenz, sie nötigenfalls selbst zu inszenieren und auch möglichst gleich selbst über die Betroffenen richten zu wollen. Je mehr aber Medien diesen problematischen Weg beschreiten, umso mehr müssen sie aber auch selbst Kritik ertragen und es aushalten, zum Gegenstand öffentlicher Debatte und Kontrolle zu werden.
In einem Rechtsstaat ist letzteres vorrangig Aufgabe der Gerichte. Und daher erscheint es mir ganz folgerichtig, wenn jedenfalls dort, wo kein Arbeitsverhältnis mehr besteht, wo ein professioneller Dialog und auch ein kritisches Gespräch zwischen den Beteiligten nicht (mehr) funktioniert, weil sich eine Seite dem stets verweigert, angesichts zunehmender Medienmacht auch zunehmend Anwälte und Gerichte bemüht werden.
Erfreulich ist diese Entwicklung nicht. Sie ist aber unmittelbare Folge einer Haltung jedenfalls solcher Medienmacher, die gerne Schläge austeilen, ohne auch selbst einstecken zu wollen und die unbegrenzte Fähigkeit zur Selbstkritik bei anderen einfordern, aber jede konkrete kritische Reaktion auf ihr eigenes Wirken zum Angriff auf die Institution Pressefreiheit hochstilisieren möchten. Und die selbst schon bei kleinen Fehlern von anderen Akteuren von diesen sofort persönliche Konsequenzen einfordern, dazu selbst aber nie bereit wären. Die im Gegenteil jede persönliche Ansprache des Opfers als Angriff empfinden, weil sich der mediale Goliath selbst lieber als David beschreibt und damit die eigene Größe und Macht verleugnet, weil er die damit einhergehende Verantwortung ablehnt.
Auch aus Sicht der Medien wäre es daher m.E. ratsamer, nicht jede – auch sachliche – Beschwerde von Betroffenen pauschal zurückzuweisen oder gar als Drohung oder Angriff zu skandalisieren, sondern jedenfalls im Falle von Pressesprechern als Chance zum professionellen, vielleicht sogar kollegialen Dialog zu begreifen, mit der Bereitschaft, daraus auch ohne rechtliche Drohungen nachhaltige Konsequenzen zu ziehen.
Denn es gilt die Erfahrung: Wo es Institutionen an professioneller Fehlerkultur mangelt, gefährdet das ihre Zukunft. Das gilt genauso für die Medien und auch für die Pressefreiheit.“
Jan Mönikes, Berlin den 24.04.2013
Update:
WDR5 hat über die Veranstaltung einen kurzen Bericht veröffentlicht, der als Podcast abrufbar ist.
[…] Am 24.04.2013 habe ich im Rahmen des 2. BdP-Forums in der Bundespressekonferenz in Berlin einen Impuls für die anschließende Diskussion mit Vertretern aus PR und Journalismus liefern dürfen. […]
Die Presse wird ihrer Rolle schon lange nicht mehr wirklich gerecht. Es ist dringend nötig, dass Qualitätsjournalismus wieder bezahlt wird! Dazu muss er für den Leser sichtbar werden. Derzeit kann ich – solange alles oberflächlich seriös aussieht – den Unterschied zwischen guter und schlechter (und damit billigerer) Recherche nicht erkennen! Dazu gibt es allerdings ein neues Projekt (Medienranking).
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