Die geplante Neuregelung des § 201 a StGB kann zu erheblichen Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit führen, wird dem Schutz der wirklichen Opfer von Cybermobbing in der Praxis aber nicht helfen. Dass dieser rechtlich und politische Vorschlag ausgerechnet aus dem SPD-geführten Justizressort kommt, ist für einen Sozialdemokraten „leider peinlich“.
Heiko Maas Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat mit seiner „Lex Edathy“ einen Referentenentwurf zur Abstimmung innerhalb der Bundesregierung geschickt, der mindestens daran zweifeln lässt, ob man in seinem Ressort die wesentlichen Grundprinzipien des Presserechts verstanden hat:
Bereits das Anfertigen einer „bloßstellenden Bildaufnahme“ soll künftig strafbar sein, ebenso die „unbefugte … Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person“. Der Begründung zu dem neuen § 201a StGB nach seien „bloßstellend“ alle Abbildungen die „die abgebildete Person in peinlichen oder entwürdigenden Situationen oder in einem solchen Zustand zeigen, und bei denen angenommen werden kann, dass üblicherweise ein Interesse daran besteht, dass sie nicht hergestellt, übertragen oder Dritten zugänglich gemacht werden.“
Wohlgemerkt, es geht dabei nicht um die (in vielerlei Hinsicht ebenfalls rechtlich problematische) Ausweitung der Strafbarkeit der Kinder- und Jugendpornographie, die in dem Gesetz an anderer Stelle vorgesehen ist. Vielmehr sollen die neuen Regelungen des §201a StGB das Bilderverbot über den bisher bereits geschützten Bereich der „Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum“, also den sog. „höchstpersönlichen Lebensbereich“ hinaus, ganz generell ausweiten.
Sprich: Ein Fotograf könnte dann in Deutschland schon strafbar sein, wenn ihm in aller Öffentlichkeit ein peinlicher Schnappschuss eines Stars gelingt – selbst wenn der auf der Bühne steht. Natürlich erst recht, wenn es sich um eine peinliche „Kleiderpanne“ handelt, wie sie beispielsweise der Sängerin Toni Braxton letzten August bei einem ihrer Konzerte passierte. Denn: Natürlich war (wie bei den meisten Konzerten üblich) das Anfertigen von Ton- und Bildaufnahmen vom Veranstalter ausdrücklich untersagt – erfolgte die Aufzeichnung daher rechtlich „unbefugt“ und könnte damit auch die Verbreitung des Videos auf YouTube und mein Link dorthin anschließend strafbar sein, während er sich heute noch in den Grenzen der §§22, 23 KUG bewegen dürfte, weil ein „zeitgeschichtlicher“ Moment dokumentiert wird. Denn auch „Yellow Press News“ können in gewissem Umfang gesellschaftliche Relevanz haben.
Daher stimme ich meinem Kollegen RA Thomas Stadler in seiner Kritik, aber auch anderen ablehnenden Kommentatoren uneingeschränkt zu: „In der jetzigen Form wird die Neuregelung vor allen Dingen zu Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit führen, aber kaum nennenswert zum Schutz von Kindern beitragen. Sollte das Gesetz in dieser Form in Kraft treten, dürfte es einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung kaum standhalten.“
Zudem weiß jeder medienrechtliche Praktiker, der sich um den Schutz der Betroffen bemüht, aus eigener leidvoller Erfahrung, dass der anscheinend gewollte „Schutz der Opfer gegen Cybermobbing“ sich auch durch einen noch so weiten „Papparrazzi-Tatbestand“ faktisch nicht verbessern wird. Denn schon bei den existierenden Delikten stellen Staatsanwaltschaften regelmäßig alle Ermittlungen wegen Verstößen gegen Strafnormen zum Schutz der persönlichen Ehre im Internet regelmäßig ohne irgend ein Ermittlungsergebnis, geschweige denn eine Strafe, einfach ein. Ein zivilrechtlicher Anspruch auf Auskünfte, die dem Betroffenen schon auf der Grundlage der heutigen Rechtslage weit mehr Möglichkeiten zur Gegenwehr bieten würden, besteht aber nicht und ist auch jetzt wieder nicht geplant. Zu groß scheint die Angst der Politik vor der Diskussion um „Abmahnanwälte“ zu sein, so dass sie statt dessen lieber irrsinnige Ausdehnungen von Strafnormen beschließt – egal welche Folgen das gesellschaftlich haben kann. Politisch brisant ist das aber besonders deswegen, weil dabei offenbar konsequent ignoriert wird, dass im Presserecht die strafrechtliche Kriminalisierung von problematischen Veröffentlichungen stets die größere Gefahr für Presse- und Meinungsfreiheit bedeuten, als alle einigermaßen maßvollen zivilrechtlichen Regelungen. Nicht von ungefähr wenden sich daher Menschenrechtsorganisationen gegen alle Gesetze der „criminal defamation“ und halten allein zivilrechtliche Regelungen für geeignet, den sog. „Chilling Effect“ zu begrenzen.
Das ausgerechnet von einem Ressort, dessen Minister meiner Partei angehört, deren erster Grundwert die „Freiheit“ ist, ein solcher gegen die Meinungs- und Pressefreiheit wirkender Gesetzentwurf vorgelegt wird, empfinde ich daher als „leider peinlich…“. Es bleibt nur zu hoffen, dass Heiko Maas in der weiteren Debatte daran nicht in einer Weise festhalten wird, die auch seinen „guten Ruf“ gefährdet.
[…] die dann bereits am Donnerstag in 2./3. Lesung vom Bundestag zum Gesetz erhoben werden dürfte. Der von mir und den Vertreter der Pressesprecher und Journalisten von Beginn an heftig kritisierte §201a […]