Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD wird die Diskussion um den Umgang mit illegalen Inhalten im Internet wieder aktuell. Aus diesem Anlass veröffentliche ich „aus Gründen“ an dieser Stelle ein älteres Thesenpapier von mir aus dem Jahr 2012, um einige Überlegungen, wie sie sich jetzt auch in den Papieren der Arbeitsgruppen und vielleicht im Koalitionsvertrag wiederfinden könnten, etwas näher zu beleuchten und zur weiteren Diskussion zu stellen:
1. Bezogen auf den Schutz der Rechte von Urhebern und verwandter Schutzrechte, einschließlich Patente, Marken und Geschmacksmuster, besteht in Deutschland (und der EU) in der Praxis kaum noch Probleme in Bezug auf die Rechtssetzung. Es bestehen Probleme der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung. Letzteres ist aber Ausdruck eines weltweiten Grundsatzproblems der Durchsetzbarkeit von nationalen (rechtlichen) Normen in einer globalen Informationsgesellschaft und kann mit demokratie- und rechtsstaatsverträglichen Mitteln nicht im nationalen Alleingang gelöst werden. Hierzu bedarf es ganz neuer Ansätze, die heute aber leider noch nicht diskutiert werden.
2. Im Internet erweisen sich die Probleme der Rechtsdurchsetzung dabei als besonders relevant, wenn die jeweiligen Güter, Daten oder Informationen, keinen physikalischen Träger benötigen. Während Plagiate heute zwar Online bestellt, aber dann immer noch an der Grenze vom Zoll abgefangen werden können, ist dieses bei digitalen Gütern, besonders wenn deren Erhalt unmittelbar mit der Bestellung zusammenfällt, generell nicht möglich. Schon ein „Warnhinweismodell“ würde technisch die Kontrolle des gesamten Datenstroms erfordern und wäre in seinem Grundrechtseingriff mit der Wirkung einer totalen Postkontrolle gleichzusetzen. Eine sachgerechte politische Auseinandersetzung darf sich daher heute nicht wieder von unpassenden Metaphern zu falschen politischen Schlüssen verführen lassen (Bsp.: Die „Datenautobahn“ und ihre „Mautstellen“, „Stoppschilder“ oder „Warnhinweise“).
3. Die ersten von Urheberrechtsverletzungen massiv Betroffenen war auch nicht die Musik- und Filmindustrie, sondern die Hersteller von Computerspielen. Bereits in den achtziger Jahren wurden Raubkopien auf dem Schulhof oder Online über Mailboxen verbreitet und gab es Wellen von Abmahnungen meist gegen Jugendliche. Anders jedoch als die Musik- und Filmindustrie hat diese, von Anfang an rein „digitale Wirtschaft“, darauf auch selbst reagiert, anstatt primär an den Staat mit teilweise überzogenen Forderungen zur Durchsetzung ihrer Urheberrechte heranzutreten. Die Lösung der Games-Industrie lag schließlich im DRM (Digital Rights Management – hier im weiteren Sinne verstanden), welches zunächst mit einfachem Kopierschutz begann und heute in die Pflicht zur Online-Registrierung gemündet ist. Damit einher ging die Anpassung der Geschäftsmodelle, vom Vertrieb von Datenträgern, hin zu kostenlosen Browser-Games, günstigen Apps und Multi-Player-Spielen, bei denen eine dauernde Internetverbindung zum Server des Herstellers zwingend nötig und vom Kunden auch akzeptiert ist. Daneben wurden die für Raubkopien weniger anfälligen Spielkonsolen als Markt für die Erstverwertung von Neuerscheinungen entwickelt. Schließlich im Bereich der Business-Software ein elaboriertes Lizenzkontrollsystem etabliert. Bereits seit 2007 überholen die Einnahmen des jeweils erfolgreichsten Computerspiels in der ersten Woche die summierten Einnahmen der drei erfolgreichsten Kinofilme.
4. Die Musik- und Filmindustrie hat diesen digitalen Wandel zunächst ignoriert, DRM für sich schnell als marktbehindernd abgelehnt und lange allein staatliche Unterstützung zur Durchsetzung ihrer Rechte eingefordert. In der politischen Vertretung ihrer Interessen war die Musik- und Filmindustrie dabei weltweit durchaus erfolgreich: Auch in Deutschland gibt es zur Durchsetzung des Urheberrechtsschutzes heute Ansprüche, die weit über die Möglichkeiten der Rechtsverfolgung selbst grundrechtssensitiverer Schutzrechte, wie beispielsweise Persönlichkeitsrechte oder Datenschutz, hinausgehen. Beispiele sind der urheberrechtliche Auskunftsanspruch, das internationale UDRP/WIPO-Verfahren oder auch der weltweite Schutz des Madrider Markenrechtsabkommen. Dieses führt heute schon zu Wertungswidersprüchen, die rechtspolitisch kaum zu rechtfertigen sind: Beispielsweise hat die auf einer Abbildung illegal im Internet verbreitete Person keinen Anspruch auf Auskunft über Informationen, die bei einem Dritten (bsp. Provider) über den Verbreiter vorhanden sind, um gegen ihn ihre Persönlichkeitsrecht durchzusetzen, der Fotograf aufgrund angesichts der Verletzung seines Urheberrechts aber schon. Nur wird er als mutmaßlicher Täter diese Informationen kaum begehren.
5. Die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen funktioniert daher auch in der Praxis mindestens in einigen Bereichen sehr gut: Auf Basis des bestehenden Rechts ermitteln im Auftrag der Rechteinhaber spezialisierte Unternehmen (z.B. DigiProtect) im Internet nahezu in Echtzeit massenhaft Filesharer, weil sie selbst dabei (zwangsläufig) Dateien zum Download anbieten. Ihnen gelingt es in vielen Fällen wegen der Automatisierung ihrer Bearbeitung auch, rechtzeitig richterliche Auskunftsverfügungen zu erwirken und damit die festgestellten Internet-IP-Adressen vor ihrer Löschung einem Anschlussinhaber zuordnen zu können.
Auch wenn es bei der anschließenden Abmahnung dann immer wieder zu Fehlern oder (anwaltlichen) Missbräuchen kommt, ist dieses Vorgehen sicherlich dafür mitverantwortlich, dass die Zahl der Filesharer seit Jahren kontinuierlich sinkt. Soweit Politik hier die „Opfer der Abmahnindustrie“ beklagt, muss sie sich vorhalten lassen, dass ihre Herausbildung direkte Folge der entsprechenden Gesetzgebung ist.
6. Mit nachlassender Relevanz von Filesharing entfallen diese Probleme aber in der Praxis auch zusehends. Damit aber sollten sich eigentlich auch Diskussionen um ein Warnhinweismodell wie das französische HADOPI endlich erledigen, auch wenn sie von den Rechteinhabern immer wieder begonnen werden. Der „Verfolgungsdruck“ auf Filesharing-Systeme hat längst dazu geführt, dass zusehends auf andere, illegale Internetplattformen ausgewichen wird. Dazu kommt, dass bezüglich des illegalen „Tausches“ von Musik eine gewisse Sättigung eingetreten ist, auch weil es inzwischen legale Alternativen gibt (Internetradio, iTunes, Spotify etc.). Zudem: Aufgrund technischer Limitationen der Upload-Geschwindigkeit des ADSL-Netzes eignen sich sehr große Dateien, wie beispielsweise Filme in HD-Qualität (1 bis 4 GByte je Film) weniger gut zur Verbreitung via Filesharing. Da die Download-Geschwindigkeit im ADSL-Netz jedoch wesentlich höher ist, haben sich hier besonders sog. „Sharehoster“ etabliert. Prominent sind hier besonders „kino.to“ und „megaupload“ oder „rapidshare“ und „dropbox“. Es gibt jedoch mehrere hundert weitere Betreiber im Internet. Diese werden meist unter Pseudonym und unter Verletzung der bestehenden Impressumspflichten betrieben.
7. Da diese „Sharehoster“ nicht nur für illegale Zwecke benutzt werden, sondern auch eine nützliche Funktion des Austausches großer Mengen legaler Daten erfüllen, ist ihr Geschäftsmodell auch nicht per se problematisch. Probleme ergeben sich in der Praxis nur dann, wenn der Betreiber selbst die Anzahl seiner für einen „Premiumzugang“ zu seiner Plattform zahlenden Nutzer dadurch in die Höhe zu treiben versucht, indem er Dritte mit dem Upload illegaler Inhalte beauftragt und zugleich andere Webseiten durch Werbung finanziert, damit diese den (verschlüsselten) illegalen Content überhaupt auf seinen Servern auffindbar machen. Gegen diese – nicht zwingend im Ausland sitzenden – Betreiber gelingt es nur schwer, strafrechtlich vorzugehen. Hier bietet sich ein Vorgehen gegen die Betreiber der Webseiten oder auch Suchmaschinen und andere „Gatekeeper“ oder technische Dienstleister oft als einzige Möglichkeit an. Will man diese jedoch nicht in eine immer weiter ausufernde „Störerhaftung“ treiben, muss der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen, dass der Betroffene zunächst gerichtlich die Illegalität der Verbreitung auch gegenüber einem nur unter Pseudonym bekannten Verbreiter gerichtlich feststellen lassen kann, um danach die Möglichkeit eines Anspruchs gegen Dritte zu erlangen, ohne diese selbst jeweils zuvor als „Störer“ in Anspruch nehmen zu müssen. Denn wegen der Privilegierung des § 10 TMG verbleiben die erheblichen Kosten der massenhaften „In-Kenntnis-Setzung“ des Betreibers einer Filesharing-Plattform heute noch vollständig beim Betroffenen, obwohl die Verwerflichkeit des Geschäftsmodells eigentlich offenbar ist.
Zivilrechtlich würde sich sowohl für die Inhaber von Schutzrechten, als auch die Betroffenen anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter, wie dem Persönlichkeitsrecht, in Bezug auf die bestehenden Probleme der Rechtserkenntnis und Rechtsdurchsetzung, daher schon eine deutliche Verbesserung ergeben, wenn der Gesetzgeber:
- entsprechend des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung mit Augenmaß Regelungen zur auch nachträglichen Zuordenbarkeit von (dynamischen) IP-Adressen bei den Providern auch hinsichtlich von Flatrate-Kunden schaffen würde, und dieses nicht nur in Fällen von Straftaten, sondern insbesondere auch bei Persönlichkeits- oder Urheberrechtsverletzungen (vgl. Leitsatz Nr. 6 des Urteils des BVerfG, 1 BvR 256/08 vom 2.3.2010),
- die bestehende Privilegierung von Internetplattformen in § 10 TMG durch Ergänzung des Satz 2 weiter dahingehend beschränkt, dass Diensteanbieter, die aufgrund ihres Nutzungs- bzw. Geschäftsmodells bewusst im erheblichen Maße von Rechtsverletzungen anonymer Nutzer finanziell profitieren, nicht mehr privilegiert sind,
- Regelungen der ZPO dahingehend klarstellen würde, dass auch gegen einen lediglich unter Pseudonym bekannten, jedoch (technisch) eineindeutig identifizierbaren Betreiber einer illegalen Plattform, zivilrechtlich Klage erhoben und ggfs. auch ersatzweise öffentlich oder via E‑Mail übers Internet zugestellt werden kann und eine solche (einstweilige) Verfügung des Gerichtes dann auch Dritten als (vorläufige) Feststellung rechtlich entgegengehalten werden kann.
Berlin, den 24.10.2012
Hallo Jan,
abgesehen von einem augenscheinlichen Punkt möchte ich gerne Deine drei Thesen aufgreifen und die – nach nur einmaligem Lesen kurz kommentieren.
Der Vergleich von multilateralen Staatsverträgen wie UDRP/WIPO und PMMA/MMA mit den territorialen Auskunftsanspruch verbietet sich aus meiner Sicht schon deswegen, weil der territoriale Anspruch schon ob der Ausgangslage nicht mit den Staatsverträgen vergleichbar ist. Wenn man da etwas würde vergessen wollen, dann müssen auch in dem Bereich Verträge her.
„Zivilrechtlich würde sich sowohl für die Inhaber von Schutzrechten, als auch die Betroffenen anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter, wie dem Persönlichkeitsrecht, in Bezug auf die bestehenden Probleme der Rechtserkenntnis und Rechtsdurchsetzung, daher schon eine deutliche Verbesserung ergeben, wenn der Gesetzgeber:“
Der Schutz des Persönlichkeitsrechts im Netz zeigt in der Tat Defizite auf, an deren Verbesserung gearbeitet werden sollte.
„a) entsprechend des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung mit Augenmaß Regelungen zur auch nachträglichen Zuordenbarkeit von (dynamischen) IP-Adressen bei den Providern auch hinsichtlich von Flatrate-Kunden schaffen würde, und dieses nicht nur in Fällen von Straftaten, sondern insbesondere auch bei Persönlichkeits- oder Urheberrechtsverletzungen (vgl. Leitsatz Nr. 6 des Urteils des BVerfG, 1 BvR 256/08 vom 2.3.2010),“
Die Vorratsdatenspeicherung gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Es braucht sie nicht, um einen harmonisierten Markt im TK-Bereich herzustellen. Wenn schon, dann muss der europäische Gesetzgeber solcherlei Regelungen auf eine saubere Grundlage stellen.
Es braucht an der Stelle aber dann auch noch mehr: um personenbezogene Daten erheben zu dürfen braucht es entweder eine Einwilligung oder eine gesetzliche Grundlage. Eine Einwilligung in die auch kurzfristige Speicherung der Zuordnungsmöglichkeit IP -> Person ist nicht ersichtlich. Eine gesetzliche Grundlage sehe ich an der Stelle aber auch nicht: es sind sensible Daten und der kürzlich (wieder) aus Frankfurt veröffentlichte Kunstgriff mit dem Zweck der Fehlervorsorge überzeugt nicht, weil eine anderweitige Zweckbestimmung der Daten ersichtlich wird: die Daten sollen nämlich nicht nur zur Fehlervorsorge erhoben werden, sondern zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (wobei ich ja nach wie vor nicht verstehe, warum sich der T‑Konzern da zum Büttel macht).
„b) die bestehende Privilegierung von Internetplattformen in § 10 TMG durch Ergänzung des Satz 2 weiter dahingehend beschränkt, dass Diensteanbieter, die aufgrund ihres Nutzungs- bzw. Geschäftsmodells bewusst im erheblichen Maße von Rechtsverletzungen anonymer Nutzer finanziell profitieren, nicht mehr privilegiert sind,“
Du solltest wissen (und ich bin sicher, dass Du es auch weißt), dass nach der derzeitigen (nicht überzeugenden) Auslegung des § 10 TMG durch den BGH die Haftungsprivilegierung sich nicht auf den Unterlassungsanspruch erstreckt (auch wenn zu dieser Frage aktuell ein Revisionsverfahren anhängig ist). Eine Norm, nach der die Haftungsprivilegierung entfällt, wenn „bewusst im erheblichen Maße von Rechtsverletzungen anonymer Nutzer finanziell“ profitiert wird, ist weich wie Butter. Da kann man alles drunter subsumieren – oder auch nichts. Das ist so unbestimmt, dass ein Gericht damit nicht arbeiten kann (wobei uns als Anwälte das in der Beratung wohl nicht so wirklich stören würde). Aber das Grundproblem bleibt: es gibt immer wieder Konstellationen, wo man den Anspruchsgegner nicht identifizieren kann; warum wird an einer Lösung nur für den IT-Bereich gedacht. Es mag im Einzelfall schmerzlich sein, den Gegner nicht identifizieren zu können, aber der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, für eine jederzeitige Identifizierbarkeit zu sorgen.
„c) Regelungen der ZPO dahingehend klarstellen würde, dass auch gegen einen lediglich unter Pseudonym bekannten, jedoch (technisch) eineindeutig identifizierbaren Betreiber einer illegalen Plattform, zivilrechtlich Klage erhoben und ggfs. auch ersatzweise öffentlich oder via E‑Mail übers Internet zugestellt werden kann und eine solche (einstweilige) Verfügung des Gerichtes dann auch Dritten als (vorläufige) Feststellung rechtlich entgegengehalten werden kann.“
„klarstellen“ geht an der Stelle nicht. Die Zustellung hat nicht nur den Sinn, das Verfahren rechtshängig zu bekommen, sondern dem Prozessgrundrecht des Beklagten (beweisbar) auf rechtliches Gehör genüge zu tun. Bei einer E‑Mail hättest Du immer das Problem, dass der Zugang nicht bewiesen werden kann; Du feilst hier (IMO grundlos) an einer Grundsäule des Verfahrensrechts.
Den Punkt mit dem Entgegenhalten der Verfügung des Gericht erschließt sich mir nicht: Das unter 7. Geschriebene erhellt den Punkt nicht wesentlich – bitte ein paar Wort mehr dazu (oder verstehe ich Dich richtig, dass Du eine Art „Feststellungsverfügung“ auf einseitigen Parteivortrag etablieren willst, die dann gegenüber Dritten „Rechtskraft“ entfaltet).
Das Problem des scheinbar nicht greifbaren Betreibers lässt sich de lege lata bereits lösen, weil identifizierbar ist, wo sich der Rechner physikalisch befindet.
MfkG
Danke für das qualifizierte Feedback!
Die VDS braucht auch meines Erachtens kein Mensch – die Zuordenbarkeit von IP-Adressen zu einem Teilnehmeranschluss aber schon. Ich sehe das ja funktional als Bestandsdatum, auch wenn man es bei dynamischer Vergabe unter die Verkehrsdaten und damit unter die „VDS“ subsumieren kann. Nur: Das BVerfG hat die IP im erwähnten Urteil auch dann eben nicht als „besonders sensibles“ Datum subsumiert, im Gegenteil. Aber, wenn der Betreiber einer Plattform seine Impressumspflicht verletzt und auch der Hostprovider dieses Plattformbetreibers falsche/keine Angaben zu seiner Identität macht, kann ich vielleicht noch an den Betreiber des Rechenzentrums ran: Nur passiert dann das, was ich eigentlich gern für die Zukunft weitgehend verhindern würde, nämlich eine (unnötige) Ausdehnung der Haftung auf unbeteiligte Dritte, was sich als Privileg für Diensteanbieter, dagegen als Belastung für Infrastrukturanbieter und zugleich als „Täterschutz“ erweist, für den ich keine rechtspolitische Rechtfertigung sehe.
Politisches Ziel der SPD ist es bereits (auf dieser Basis entstanden die Thesen), die Störerhaftung im Internet zugunsten eindeutiger gesetzlicher Regeln einzugrenzen. Es bleibt aber auch danach immer bei Rechtsbegriffen, die dem Gericht Spielräume lässt. Das wird sich m.E. aber nicht vermeiden lassen. Es gibt daher auch Überlegungen im politischen Raum, zugunsten der „Eindeutigkeit“ für die Untersagung eines Internetdienstes „gewerberechtliche“ Voraussetzungen zu definieren. Das würde aber eine weitere Überdehnung des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“ aus dem Datenschutz dann auch schon für den professionellen Betrieb von vernetzten Rechnern bedeuten. Das lehne ich jedenfalls als viel zu weitgehende ab, da sind mir dann „unbestimmte Rechtsbegriffe“ lieber – auch lieber als Rechtsinstitute, die sich die Gerichte einfach selbst geschaffen haben, wie eben die Störerhaftung.
Ich dachte eher an so etwas wie § 185 ZPO: Hier gibt es ja bereits den Fall der öffentlichen Zustellung. Warum sollte man nicht, wenn sich der Antragsgegner bspw. durch Verletzung seiner Impressumspflicht oder falsche Angaben wirksame „normale“ Zustellungen verhindert, bei Gericht einen Antrag stellen dürfen, dass das Gericht schon die Zustellung eines Antrages durch E‑Mail vornimmt und für die Erhebung der Klage andere eineindeutige Merkmale als nur eine Postanschrift akzeptiert? Wenn der Betroffene dann auch nicht reagiert, weil er eben vorzieht, sich nicht zu melden, warum sollte dann kein VU oder eine einstweilige Verfügung erfolgen dürfen? Die Konstellation ist rechtlich die gleiche, als wie bei einem Künstler, von dem nur der Künstlername und die geschäftliche Anschrift bei seinem Agenten bekannt ist. Natürlich kann ich „Atze Schröder“ verklagen und an ihn zustellen, wird jeder Richter sagen. Nur nicht im Internet, da soll das auf einmal nicht gehen, weil es gibt dort ja keine Post und keine physikalische Postanschrift… Das erscheint mir eher schädlich, als dem Recht nützlich, denn eine „Grundsäule des Verfassungsrechts“ ist die Post nicht und rechtliches Gehör will ich ja niemandem nehmen, der nicht die Zustellung selbst vereitelt. So, wie es jetzt ist, erzwingt es viele der Klagen gegen Google und andere „Störer“ wie Bloghoster, eben weil sie anders als der verantwortliche Intermediär postalisch ermittelbar sind. Oder eben gegen denjenigen, bei dem sich der Rechner physikalisch befindet. Nur der muss dann abschalten und „stört“ damit alle anderen, die mit dem Thema ja gar nichts zu tun haben.
Ich verstehe an der Stelle schon das BVerfG nicht. Ich halte IP-Adressen schon für recht sensible Daten, auch wenn diese zuvorderst keine Person identifiziert, sondern einen Rechner (und da hat man beim Filesharing auch schon ein erstes Problem, das der BGH geflissentlich ignoriert und stattdessen mit einer Vermutung arbeitet, die weder im Gesetz angelegt ist, noch von der Statistik gestützt wird; er macht das einfach).
Den Täterschutz sehe ich in Teilen auch – eine „unnötige“ Ausweitung aber nicht. mE könnte es schon ausreichend sein, wenn man einen Vorbehalt etablieren würde, dass man erst gegen Täter und Teilnehmer vorgehen muss und nur wenn diese (nachweislich) nicht erreichbar sind, auf die Störerhaftung zurückgegriffen werden kann. Das dann aber mit einer klaren gesetzlichen Regelung, dass ein Nichttäter oder Nichtteilnehmer nur dann haftet, wenn er positive Kenntnis hat (damit spart man sich den umkalkulierbaren Rattenschwanz, den der erste Zivilsenat mit „ureigenes Interesse“ (Sommer unsere Lebens) oder „finanziellem Eigeninteresse“ (Kinderhochstühle II) aufmacht, wenn Kenntnis verschafft wurde und derjenige nicht tätig wurde, dann soll er auch haften. Ich habe wenig Zweifel, dass das als stimmiges und auch gerechtes System gestaltet werden kann. Wichtig erscheint mir, dass für die haftungskonkretisierende Erstabmahnung (Kenntnisverschaffung, wie auch immer man den Schritt nennen mag) keine Anwaltskosten geschuldet werden. Und mit geltendem Recht bekommt man die Strukturen auch aufgebohrt und ausermittelt, wenn man sich Mühe gibt (wenn alles klappt, geht da morgen was Größeres in die Pipeline).
Wenn schon, dann muss man dann auch hier konsequent sein: qualifizierte elektronische Signatur (.de-Mail oder wie der Unsinn zwischenzeitlich genannt wird). Der Störer muss (und sollte) nicht überobligatorisch tätig werden müssen. Aber auch hier zeigt sich wieder ein Problem: die Infrastrukturbetreiber sind an verschiedenen Stellen involviert. Das lässt sich kaum sinnvoll „über einen Kamm scheren“.
Meiner Auffassung nach könnte (und sollte) die SPD eine Runde tiefer gehen und – vorläufig gedanklich – ein urheberrechtliches Axiom auf den Prüfstand stellen: es braucht rechtlichen Schutz, um kreativ arbeiten zu können (ich kenne keinen kreativen [ich habe mein Studium damit finanziert], der deswegen kreativ ist, weil er dafür Geld bekomme; kreative sind kreativ, weil sie kreativ sind). Es geht politisch darum, ein stabiles System zu schaffen, in dem es möglich ist, von seiner Kreativität ein auskömmliches Leben zu gestalten. Braucht es wirklich urheberrechtlichen Schutz 70J pma, um dem Kreativen das möglich zu machen? (und nein, bitte keine hastige Antwort, sondern gerne erst in 2014 und dafür dann vorher Höffner, Geschichte und Wesen des Urheberrechts lesen).